Einige Verwirrung herrscht seit Tagen über das geplante Murkraftwerk mitten in Graz. Aus Projektbetreiber-Kreisen heißt es, die Staustufe würde sich nicht mehr rentieren.

Foto: Energie Steiermark AG

Graz/Wien - Droht das als "Jahrhundertprojekt" apostrophierte Bauvorhaben eines Murkraftwerkes im Grazer Stadtgebiet noch vor Baubeginn zu scheitern? Um die rund 100 Millionen Euro teure Staustufe, die vom Landeskonzern Energie Steiermark und dem Verbund geplant und errichtet werden soll, ist jetzt einige Verwirrung entstanden, nachdem Gerüchte laut wurden, das Projekt rechne sich wegen der in den Keller gerasselten Energiepreise auf den Märkten nicht mehr.

Aufgrund wirtschaftlicher Rentabilitätsüberlegungen werde das Vorhaben, für das der Umweltsenat erst vor eineinhalb Wochen grünes Licht gegeben hatte, nochmal genau geprüft, wurde am Wochenende ein anonymes Aufsichtsratsmitglied der Energie Steiermark in der Kleinen Zeitung, zitiert. Fazit: Das Kraftwerk, in dessen Umfeld die Mur als städtischer Erholungsraum neu definiert werden soll, stehe vor dem Aus.

Grazer Bürgermeister: Kein endgültiges Ende

"Ich habe Gespräche mit den Verantwortlichen geführt und ich gehe davon aus, dass das Kraftwerk gebaut wird, die Sache ist nicht abgehakt, von einem endgültigen Ende kann keine Rede sein", sagte Bürgermeister Siegfried Nagl, der sich vehement für den Bau engagiert hatte, am Montag im Standard-Gespräch.

Auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Energie Steiermark Josef Mülner, beeilte sich zu betonen, das Aufsichtsgremium stehe "strategisch geschlossen hinter dem Projekt Wasserkraftwerk Graz". Ein Baubeschluss könne allerdings erst dann erfolgen, "wenn der letztinstanzliche Bescheid durch den Verwaltungsgerichtshof vorliegt". Bei der Entscheidung, ob gebaut werde oder nicht würden natürlich "entsprechende Wirtschaftlichkeitsrechnungen" eine Rolle spielen.

Offizielle Dementis

Im Verbund-Konzern wird man deutlicher, der Preissturz am Energiemarkt zwinge zu Neubewertungen. Verbund Chef-Wolfgang Anzengruber hatte zuletzt schon Ende Juli massive Reduktionen von Investitionen angekündigt. Die Grazer Staustufe stehe aber nicht zur Disposition, wird offiziell versichert. "Wir starten gerade die 25 Millionen Euro teure Modernisierung des Grazer Murkraftwerks Weinzödl, im Gegensatz zur Windkraft und Fotovoltaik erhalten unsere Wasserkraftwerke jedoch keine geförderten Einspeisetarife, womit klar ist, dass sich neue Kraftwerksprojekte - angesichts der Verwerfungen am Strommarkt - einer strengen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung stellen müssen, bevor es eine Investitionsentscheidung gibt", präzisierte Verbund-Sprecher Robert Zechner im Gespräch mit dem Standard.

Nachdem der Verbund allein im Gas-Kombikraftwerk in Mellach, dass nur einige Kilometer südlich von Graz liegt, wegen der abgesackten Gaspreise gut 400 Millionen Euro in den Sand schreiben muss, nährt dies in Graz natürlich die Gerüchte, der Verbund könnte trotz Dementi aus dem Grazer Stauprojekt aussteigen.

Plan B

Auch im Grazer Bürgermeisteramt beschäftigt man sich mit dieser Variante und denkt schon an einen "Plan B". Sollte der Verbund die Lust verlieren, werde man sich um andere Partner umsehen. Ein fertiges, baureifes Infrastrukturprojekt, für das alle Genehmigungen vorliegen, sei für Investoren durchaus interessant. Gehandelt werden bereits die stadteigenen Energie Graz oder Privatinvestoren wie jene, die das umstrittene Kraftwerksprojekt "Schwarze Sulm" realisieren wollen. Auch in der Energie Steiermark macht man sich so seine Gedanken. "Wir investieren in den kommenden Jahren ganz massiv in grüne Energieerzeugung. Sowohl bei Wasserkraft, Wind als auch bei Fotovoltaik. In diesem Zusammenhang arbeiten wir zurzeit an völlig neuen Beteiligungsmodellen. Das Interesse an solchen Modellen ist überaus stark, solche Beteiligungen sind grundsätzlich für alle Erzeugungsprojekte im Bereich erneuerbarer Energie denkbar", sagt Konzernsprecher Urs Harnik. (Walter Müller, DER STANDARD, 10.9.2013)