Ried - Auch für die Staatsanwältin ist es ein "ungewohntes Verfahren", das am Dienstag am Landesgericht Ried begann. Denn erstmals setze Österreich internationale Gerichtsbarkeit um - weshalb das Ausland in den nächsten Wochen mit Interesse beobachten werde, was sich in dem kleinen Schwurgerichtssaal zutragen wird. Vor dem Richter hat ein gepflegt aussehender, großgewachsener Mann im grauen Anzug und mit Laptop unter dem Arm Platz genommen. Dem Exkripochef der guatemaltekischen Polizei, Javier Figueroa, wird der "Beitrag zum Mord an sieben Häftlingen" vorgeworfen.

Gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention konnte der 2007 nach Oberösterreich Geflüchtete nicht in seine Heimat ausgeliefert werden, da ihm dort kein faires Verfahren erwarten würde, erklärt die Staatsanwältin den Geschworenen, warum in Ried verhandelt wird. Was im fernen Mittelamerika vor sieben Jahren geschehen sein soll, darüber geben Fotos Auskunft. Es geht um einen Einsatz in der Haftanstalt Pavón am 25. September 2006. Diese stand unter der Eigenverwaltung der mehr als 1000 Insassen, galt als "Staat im Staat". Versuche, die Anstalt unter staatliche Kontrolle zu bringen, waren bis zu diesem Zeitpunkt gescheitert. Für besagten Tag stand eine Großaktion an.

Eingeblendete Bilder

Mit dabei: Javier Figueroa. Er sei auch in einen Parallelplan eingeweiht gewesen, wonach die Rädelsführer der Anstalt gezielt hingerichtet werden sollten. Bilder werden eingeblendet, auf denen nackte Häftlinge zu sehen sind, von Uniformierten zu Boden gedrückt. Sieben von ihnen sollen von jener kriminellen Parallelorganisation wehrlos erschossen worden sein.

"Ich bin unschuldig", beteuert der heute 42-Jährige, nichts von den Morden gewusst zu haben. Seit 6. Dezember 2011 sitzt er in Ried in U-Haft, hat sich seitdem auf den Tag der Hauptverhandlung vorbereitet. Auch er hat Bilder auf seinem Laptop gespeichert - für seine Präsentation als Gutmensch: "Ich bin ein Mann mit großem sozialen Gewissen", sagt er dem Gericht. Der ausgebildete Gynäkologe engagierte sich offensichtlich beim Roten Kreuz in Guatemala, war bei der Berufsfeuerwehr, bot Fortbildungen für Hebammen an. Für jede dieser ehrenamtlichen Leistungen zeigt er das passende Foto.

Sogar eine Ausbildung zur Bekämpfung der Bandenkriminalität in den USA habe er besucht. In Guatemala wurde er 2005 zum Kripochef ernannt. Mit seiner (Gesundheits-)Reform bei der Polizei habe "ich mir Feinde gemacht", erklärt er den Grund für seine Flucht. Ein Urteil ist für den 8. Oktober geplant. (Kerstin Scheller, DER STANDARD, 11.9.2013)