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Michael Spindelegger gibt sich im Wahlkampf als Magier. Nur will er nicht sich selbst entfesseln, sondern Österreichs Wirtschaft.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Michael Spindelegger will mit seiner ÖVP die Wirtschaft entfesseln. Wer sie gefesselt hat, ist nicht bekannt. Verdächtige gibt es aber, die ÖVP selbst etwa ist seit beinahe 27 Jahren in der Regierung und stellt genauso lange auch den Wirtschaftsminister.

Wenn Spindelegger vom Entfesseln spricht, presst er seine Lippen aufeinander. Er ballt die Fäuste, wird ungewohnt laut. Es scheint ein Herzensanliegen des Vizekanzlers zu sein, vielleicht aber auch nur einstudierte Wahlkampf-Rhetorik. Aber wie "gefesselt" sind österreichische Unternehmen eigentlich? Wie schwer ist es, ein Unternehmen zu gründen, Leute einzustellen und zu feuern? Wie mühsam, mit Behörden zu arbeiten?

Ein Unternehmen gründen

Geht es nach dem "Doing Business Report", einem international renommierten Ranking der Weltbank, dauert es in Österreich 25 Tage, ein Unternehmen zu registrieren. Österreich liegt damit nur auf Platz 134 von 185. In Neuseeland, der Nummer eins im Ranking, dauert es nur einen Tag. Unternehmen müssen sich dort lediglich online anmelden.

Martin Winner, Departmentvorstand des Instituts für Unternehmens-, Arbeits- und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, hält dieses Ranking im Gespräch mit derStandard.at für problematisch. "Die 25 Tage halte ich für ein Gerücht, das geht deutlich schneller", so Winner. Außerdem habe der Registrierungsprozess in Österreich durchaus seinen Sinn.

"Die Firmenbucheintragung ist etwa dazu da, unseriösen Schwindelgründungen vorzubeugen", sagt Winner. Dazu brauche es Kontrolle, zum Beispiel ob das Kapital auch wirklich einbezahlt wurde beziehungsweise ob die Personen auch die sind, die sie vorgeben zu sein. Eine reine Online-Anmeldung wie in Neuseeland hält er daher für nicht sinnvoll.

Lobende Worte für GmbH light

Winner hat auch lobende Worte für die Regierung parat. "Die Unternehmensgründung ist durch die GmbH light wesentlich erleichtert worden", sagt er. So braucht ein Unternehmen seit Juli dieses Jahres weniger Startkapital, auch Notariats- und Gerichtskosten sind stark gesunken. Das lobt auch Nikolaus Franke, Leiter des Instituts für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuni, gegenüber derStandard.at: "Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung."

Franke, der immer wieder Studenten bei der Gründung von Unternehmen begleitet, sieht in der Bürokratie kein Hindernis für unternehmerisches Handeln. Was Österreich fehle, seien "unternehmerisches Denken, Mut zum Risiko und der konstruktive Umgang mit Fehlern". Scheitern werde tabuisiert, so Franke.

Leute einstellen und kündigen

Die Gründung eines Unternehmens ist aber nur die eine Sache. Früher oder später müssen auch Leute angestellt werden. Österreich sei bei der Flexibilität des Arbeitsmarkts im internationalen Vergleich "fast immer im Mittelfeld", sagt Herbert Walther, der Leiter des Instituts für Arbeitsmarkttheorie der Wirtschaftsuniversität, zu derStandard.at. Je flexibler ein Arbeitsmarkt, desto leichter kann man Leute einstellen und kündigen, und desto weniger Einfluss haben Gewerkschaften. "Wir sind nicht an den Extremen angesiedelt." Zum Beispiel sei der Kündigungsschutz in Deutschland stärker als in Österreich, in südlichen Ländern aber schwächer.

Insgesamt habe Österreich einen "relativ flexiblen Arbeitsmarkt", sagt Walther. Flexibel heiße aber nicht automatisch gut: "In Osteuropa ist er noch flexibler." Dort gebe es kaum Gewerkschaften und Sozialschutz. Das funktioniere aber auch nicht besser, so Walther. "Dort gibt es genauso viele Arbeitslose wie in weniger flexiblen Ländern", erklärt der Volkswirtschaftsprofessor.

Die Forderung der ÖVP, die maximale Arbeitszeit pro Tag auf zwölf Stunden zu erhöhen, hält Walther "in dieser allgemeinen Form für ziemlich sinnlos". Besser wäre es ihm zufolge, die Sozialpartner das branchenspezifisch ausverhandeln zu lassen. Von Branche zu Branche seien die Anforderungen "sehr, sehr unterschiedlich".

Das Arbeiten mit Behörden

Neben Gründungsformalitäten und dem Einstellen von Mitarbeitern gehört der Gang zur Behörde zum Alltag von Unternehmern. Genehmigungen müssen eingeholt und Förderungen beantragt werden. "Es gibt sicher Bereiche, in denen Österreich stark reguliert ist, aber eben auch solche, in denen das nicht der Fall ist", sagt der Rechtsprofessor Winner. Der Bankensektor sei etwa im internationalen Vergleich wenig reguliert. Generell relativiert Winner die häufige Kritik an der Bürokratie: "Bürokratie ist nichts Schlechtes, sie erfüllt im Regelfall einen bestimmten Zweck." Es sei falsch, lediglich auf die Hindernisse für Unternehmen zu schauen.

Nikolaus Franke sieht das ähnlich: "Man schimpft schnell und gerne über die Bürokratie." Alles solle immer schneller und einfacher gehen. Der gebürtige Deutsche sieht Österreichs Bürokratie aber als durchaus effizient an: "Die Verwaltung hier läuft sehr zuverlässig, es gibt klare Regeln, und die werden auch befolgt." Rankings wie jenes des World Economic Forum, in dem Österreich gegenüber vergleichbaren Ländern eher schlecht abschneidet, werden von Experten relativiert. "Solche Ergebnisse beruhen auf Angaben von Personen, die oft irgendwelche Vorurteile gegenüber ihrem Land haben", sagt etwa Herbert Walther.

Österreich steht im internationalen Vergleich also gar nicht so schlecht da. Anderes könnte sich ein kleines Land im großen Binnenmarkt Europa auch nicht leisten. Wenn wahlkämpfende Politiker wie Michael Spindelegger eine schlankere Verwaltung versprechen, begrüßt Franke das: "Ich würde mich freuen, wenn es ihm ernst wäre und er auch Ernst macht." Dass Österreichs Unternehmen aber nur darauf warten, von ihren Fesseln gelöst zu werden, um dann den Turbo zu starten, darf man nach Einschätzung der Experten eher bezweifeln. (Andreas Sator, derStandard.at, 12.9.2013)