Berlin - Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist jedes zweite im Internet gekaufte Medikament eine Fälschung. Die Einnahme solcher gefälschter Arzneimittel kann fatale Folgen haben, warnten am Mittwoch Experten in Berlin. Konsumenten haben häufig keine Ahnung, dass die bestellten Waren hohe gesundheitliche Risiken in sich bergen. Schließlich beinhaltet eine Vielzahl der Produktimitate keinen, zu viel oder den falschen Wirkstoff.
"Es wird alles gefälscht, was am Ende des Tages Profit bringt", so Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Hergestellt werden die Medikamente in Hinterhöfen oder Garagen unter unhygienischen Bedingungen - die Inhaltsstoffe seien dadurch bedenklich und mitunter auch giftig, erklärt der Experte. In einem Bericht des österreichischen Finanzministeriums über Produktpiraterie aus dem Jahr 2012 wird etwa ein Aufgriff des Wiener Zollamtes geschildert, bei dem Tabletten im Blister bereits massiv von Schimmel befallen waren. "Selbst das hat die kriminellen Drogenbosse nicht davon abgehalten, diesen Ramsch über das Internet zu verkaufen", heißt es in dem Bericht.
Zehnmal lukrativer als Drogen
In Verpackung und Aussehen sind die Fälschungen oft kaum von den Originalmedikamenten zu unterscheiden. Selbst Pharmaexperten stoßen hier mitunter an ihre ihre Grenzen. Schulz berichtete von einem gefälschten Magenschutz, einem Potenzmittel und einer Anti-Baby-Pille, die sogar auf legalem Weg in die Apotheken gekommen sind, dort aber nicht in den Verkauf gelangten.
Gefälschte Arzneimittel sind zehnmal lukrativer als Drogen, zeigte Peter Keller vom deutschen Zollkriminalamt auf. Laut dem Experten betragen die Beschaffungskosten von Heroin zwischen 1.000 und 2.000 Euro pro Kilogramm, der Erlös bringt 25.000 bis 30.000 Euro pro Kilogramm. Die Herstellungskosten für ein gefälschtes Potenzmittel belaufen sich im Gegensatz dazu lediglich auf 40 bis 50 Euro pro Kilogramm, die Hersteller können jedoch mit einem Erlös von 8.000 bis rund 24.00 Euro pro Kilogramm rechnen.
Die Fälscher sind in den meisten Fällen nur schwer ausfindig zu machen, da sie durch den geschützten Internethandel rasch ihre Identität wechseln können - die Lieferung erfolgt anonym durch Post- und Kurierdienste. Pharmaunternehmen wie Bayer und Pfizer entwickeln nun gemeinsam mit den deutschen Apothekenverbänden ein neues Sicherheitssystem, das in vier Jahren europaweit eingesetzt werden soll. (APA/red, derStandard.at, 11.9.2013)