Rostock - Pfeifende Ohrgeräusche sind ganz normal und tauchen bei fast allen Menschen gelegentlich auf. Sind sie dauerhaft vorhanden, ist von einem sogenannten Tinnitus die Rede. Eine Forschergruppe aus Rostock ist nun dem Phänomen weiter auf den Grund gegangen und hat festgestellt, dass Tinnituspatienten, statt sich an immer wieder kehrende Geräusche zu gewöhnen, diesen sogar wachsende Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Bislang war bekannt, dass bei Tinnitus-Patienten die kortikale Aufmerksamkeit häufig verändert ist. Das heißt, Betroffene richten ihre Aufmerksamkeit stärker auf das Ohrgeräusch anstatt das Geräusch durch Abnahme der Aufmerksamkeit abzuschwächen (Habituation).  Dieses Phänomen der Abschwächung lässt sich etwa am Ticken eines Weckers veranschaulichen, das in der Nacht irgendwann nicht mehr als störend empfunden wird. Demnach blendet die fehlende Aufmerksamkeit das Ticken allmählich aus. Im Gegensatz dazu kann fehlende Habituation zu einer Zunahme der Intensität des nächtlichen Wecker-Tickens führen.

Zunahme der EEG-Kurven bei Tinnitus-Patienten

Habituationseffekte lassen sich auch über ein Elektro-Enzephalogramm (EEG) beobachten, indem Probanden Töne vorgespielt werden, wobei beim Hören eines bestimmten Tons schnell mit Tastendruck reagiert werden soll. Üblicherweise ist im Verlauf von 32 derartigen Durchgängen eine Habituation - also eine Abnahme der EEG-Kurven - zu konstatieren.

Das Wissenschaftlerteam aus Rostock konnte nun bei Menschen mit einer länger andauernden Tinnitus-Erkrankung zeigen, dass die EEG-Kurven sogar zunahmen. - Dieser Effekt war umso stärker, je länger die Patienten bereits unter dem Tinnitus litten. Für die Forscher liegt demnach der Schluss nahe, dass mit zunehmender Erkrankungsdauer den Ohrgeräuschen eine immer größere Aufmerksamkeit geschenkt wird. "Damit wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, durch den sich die Ohrgeräusche hartnäckig halten können", erklärt Studienleiter Peter Kropp. (red, derStandard.at, 11.9.2013)