Schwesta Ewa möchte dem deutschen Rap ihren Stempel aufdrücken: „Damit die ganze Männerwelt Bescheid weiß, dass wir es auch drauf haben!"

Foto: Alles oder Nix Records

Ihre Lebensgeschichte klingt düster und unwirklich zugleich: Zehn Jahre lang arbeitete Ewa Müller als Sexarbeiterin. Nicht irgendwo sondern im berüchtigten Frankfurter Bahnhofsviertel zwischen Heroin-Süchtigen, Rotlicht, Polizei-Razzien und windigen Zuhältern. Dort hat sie vieles beobachtet und am eigenen Leibe zu spüren bekommen. In ihrer Welt von einst gingen Frauen gar mit schwangerem Bauch noch auf den Strich. Sie lernte das andere Gesicht von Männern kennen, die oft von Ehre und Respekt reden. Einmal wurde sie Opfer einer Vergewaltigung - mit Pistole im Mund, wie sie erzählt.

Schwester Ewa - "Schwätza"

Raus aus dem Millieu

Ihr war das alles zu viel: "Puffgänger, Lügner und Betrüger. Alles Schwätzer!" Sie hatte genug und fand einen Weg hinaus: als Rapperin. "Schwesta Ewa" war von  da an ihr Name. Schon ihr erstes Video "Schwätza" sorgte für mediales Aufsehen. Eine ehemalige Prostituierte die über "Knarren" und "Nutten" rappt, das war eine sich gut verkaufende Geschichte – und für Ewa Müller der Weg raus aus dem Rotlichtmilieu. Jetzt arbeitet sie nur noch an ihrer Musik, posiert mit Fans auf Fotos und fährt zu Auftritten quer durch den deutschsprachigen Raum.

Back-up Stripperinnen

Vor kurzem hatte Ewa auch einen kleinen Gig in der Wiener Pratersauna. Mitgekommen waren neben ihrer Back-Up-Partnerin auch zwei Stripperinnen, die sie aus ihrem ehemaligen Umfeld engagiert hat. Die Live-Performance war noch holprig und  ausbaufähig. Ihr Publikum hat sie aber schon jetzt für sich gewonnen. Die Botschaft kam an: "Die Leute sagen: Hammer, endlich rappt hier 'ne Frau", referiert die Rapperin in einem ihrer Songs über die ersten Publikumserfolge.

Vor einigen Monaten, bei ihrem ersten Auftritt überhaupt, fanden sich hauptsächlich Studenten auf der Berliner "Muschi-Kreuzberg"-Party, dass vom gleichnamigen Modelabel initiiert wurde, ein. Sie scheint gerade unter dieser Gruppe auch ungewollt einen Nerv getroffen zu haben. In Wien war das Publikum noch etwas durchmischter, schichtenunabhängig feierten etwa junge Migranten und Hipsters nebeneinander.

Frauenbilder

Wenn es um die Texte geht, unterscheidet sich Schwesta Ewa kaum von ihren männlichen Rap-Kollegen: Statussymbole, Gewalt, Drogen und Sex. Darüber kann wohl keine so detailliert berichten wie Ewa, verbrachte sie doch die meiste Zeit zwischen 18 und 28 Jahren im einschlägigen Milieu. Erstaunlich ist vielmehr, dass sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen aus dem Genre heftigere Kritik einstecken muss. Sie sei ein besonders ungeeignetes Vorbild für andere Frauen und würde ein falsches Frauenbild transportieren, sich so verhalten, wie ihr es die Rap-Männer vormachen, werfen ihr ihre Kritiker vor. Stimmt nicht, sagt Ewa. "Ich erzähle bloß meine wahre Geschichte, was ich erlebt habe", entgegnete sie in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Deshalb rät sie ihren Zuhörerinnen stets "den geraden Weg" einzuschlagen - nicht so zu werden wie sie. Sie möchte dem deutschen Rap nur ihren Stempel aufdrücken: "damit die ganze Männerwelt Bescheid weiß, dass wir es auch drauf haben", erzählte sie dem Musikjournalisten Marcus Staiger Anfang dieses Jahres in einem Interview.

Mit ein paar Untergrund-Tapes und Videos hat die 28-Jährige beachtliche Aufmerksamkeit erreicht. Sie fällt auf: Strip-Club-Ambiente, muskelbepackte Männer, zahlreiche Freundinnen aus den Laufhäusern machen mit. Das ist auch heute noch die Welt der Ewa M., nur sind die Rollen nun vertauscht: Jetzt ist sie keinem Zuhälter mehr etwas schuldig, braucht sich nicht von "Schwätzern" abwertend behandeln zu lassen, um ihren Unterhalt zu verdienen. (Toumaj Khakpour, daStandard.at, 12. September 2013)