Ohne ihn wäre es in der Partei schwieriger für mich“, sagt Tatjana Kukić-Jank über Staatssekretär Sebastian Kurz. 

Foto: privat

Fast täglich lädt Tatjana Kukić-Jank auf ihrer Facebook-Seite Fotos oder Videos hoch, die zeigen sollen, dass sie viel unterwegs ist, in der "Community". 

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"Za bolje sutra!" ("Für ein besseres Morgen!") - mit diesem Slogan kämpft die serbische ÖVP-Kandidatin Tatjana Kukić-Jank für einen Einzug in den Nationalrat. Ein Kampf, der angesichts ihrer Reihung - Platz 36 auf der Wiener Landesliste - aussichtslos ist. "Ich arbeite aber genauso hart, als wäre es der erste Platz", sagt sie im Gespräch mit daStandard.at. Tatsächlich gibt es kaum eine ÖVP-Veranstaltung, die sie auslässt, sie nutzt jede Gelegenheit, um sich und ihr Team zu präsentieren. Fast täglich lädt sie auf ihrer Facebook-Seite Fotos oder Videos hoch, die zeigen sollen, dass sie viel unterwegs ist, in der "Community".  

Kukić-Jank wurde 1974 in Belgrad geboren und kam mit 16 Jahren mit ihrer Mutter nach Wien. Hier hat sie ein Architekturstudium absolviert, gerade arbeitet sie an ihrer Dissertation. Sie gründete die Vereine BKS Business Club und WUZ ("Wir Unternehmen Zukunft") und arbeitete unter anderem im Diversity-Referat der Wirtschaftskammer. Schon in jungen Jahren wollte sie in die Politik, ihre Mutter habe ihr aber davon abgeraten. "Weil niemand von unseren Leuten das hier macht", wie sie sagt. Ihre Motivation dahinter: "Wir müssen uns organisieren." Dabei blickt sie neidisch auf die türkische Community: "Sie ist viel besser organisiert als die aus Ex-Jugoslawien."

Keine Chancen auf Einzug ins Parlament

Kukić-Jank passt als ehemalige Wirtschaftskammermitarbeiterin perfekt ins Schema der ÖVP, auf deren Listen für die Nationalratswahl diesmal auch einige andere neue Namen zu lesen sind. "Die ÖVP versucht, mehr Migranten auf ihren Listen zu präsentieren", beobachtet auch Žarko Radulović, Chefredakteur der Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen (MSNÖ). "Richtige Chancen, ins Parlament zu kommen, haben aber in allen Parteien nur wenige." Insgesamt treten auf Anfrage von daStandard.at auf allen Listen der ÖVP 17 Kandidaten mit Migrationshintergrund* an, davon kandidieren neun unter anderem auf der Wiener Landesliste. Nur einer dieser Kandidaten - Asdin El Habbassi auf Bundeslistenplatz fünf - hat jedoch realistische Chancen, in den Nationalrat zu kommen.

Für Radulović ist das eindeutig zu wenig: "Von fast 700 Politikern auf Bundes- und Landtagsebene gibt es gerade einmal 20 mit Migrationshintergrund. Das ist weit weg von einer repräsentativen Volksvertretung." Auch Politikberater Thomas Hofer kritisiert: "18,9 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben Migrationshintergrund - in der Politik sind sie aber definitiv unterrepräsentiert." Für ihn steckt Strategie dahinter, Migranten auf schlechte Listenplätze zu setzen: "Sie sollen glaubwürdige Kommunikatoren sein. Das Ziel der Parteien ist grundsätzlich, neue Zielgruppen zu erschließen. Doch was sie dabei vergessen: Ein Serbe wird nicht die ÖVP wählen, nur weil es dort eine serbische Kandidatin gibt. Dazu braucht es schon mehr." Die Taktik des zielgruppengerechten Werbens ist nicht neu und auch bei anderen Parteien beliebt. Unvergessen bleibt etwa das Plakat für die Wien-Wahl 2010, auf dem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die orthodoxe Gebetskette ("Brojanica") am falschen Handgelenk trug.

Zumindest ein Kurswechsel sei bei der ÖVP jedoch bemerkbar, so Hofer. Unter Günther Platter und Maria Fekter wurde Härte gegenüber Migranten demonstriert. ÖVP-Chef Michael Spindelegger setzte dann auf "Vorzeigemigranten" und betonte den "Leistungsbegriff" und die "besten Köpfe". Einer der Hauptverantwortlichen für diese Entwicklung sei aber vor allem Staatssekretär Sebastian Kurz, sind sich die Kandidaten sicher. "Ohne ihn wäre es in der Partei schwieriger für mich", sagt Tatjana Kukić-Jank. Für sichere Plätze hat es bei den meisten aber dennoch nicht gereicht.

"Mir ist egal, ob Platz 1, 47 oder 68"

Kukić-Jank ist nicht die einzige ÖVP-Kandidatin mit Wurzeln in Ex-Jugoslawien. Insgesamt gibt es vier - drei auf der Landesliste und einer auf der Bundesliste. Etwas ruhiger geht es etwa ihr Parteikollege Pero Pajkanović an, der auf Bundeslistenplatz 47 kandidiert. Der gebürtige Wiener, dessen Eltern aus Bosnien stammen, wirbt weder in sozialen Netzwerken noch verteilt er personalisiertes Wahlkampfmaterial. "Für mich steht die Partei im Vordergrund", betont er immer wieder. "Wenn sich jeder auf sich selbst konzentriert, stiftet das zu viel Verwirrung. 100.000 Vorzugsstimmen schafft sowieso niemand", begründet er. Für die Partei engagiert er sich ehrenamtlich und freiwillig. "Mir ist dabei egal, ob ich Platz 1, 47 oder 68 habe." Er gibt zu, dass die Reihung sicherlich "den einen oder anderen symbolischen Wert" hat.

Seit 2008 ist Pajkanović Mitglied der ÖVP, seit 2010 außerdem beim Wirtschaftsbund. Zur ÖVP kam er über die damalige Nationalratsabgeordnete Maria Rauch-Kallat, die er bei einem Empfang der slowenischen Botschaft kennenlernte. "Wir sind ins Gespräch gekommen, haben Visitenkarten ausgetauscht, und ich habe mein Interesse an politischer Aktivität bekundet", erinnert er sich. Zurzeit arbeitet der studierte Betriebswirt beim Niederösterreichischen Landesdienst und befindet sich außerdem im Doktoratsstudium der Politikwissenschaft. Bereits bei der Wien-Wahl 2010 trat er für die ÖVP an - auf Platz 32 der Wiener Landesliste und Platz 10 im Wahlkreis. Dieses Jahr ist er auf der Landesliste nicht vertreten. "Weil es platztechnisch nicht machbar ist", wie er sagt. Seine Bezugsperson in der ÖVP Wien ist Landesgeschäftsführer Alfred Hoch, zu dem er ein "enges Verhältnis" pflegt.

"Werte" der ÖVP

"Wir sind sehr glücklich über Tatjana und Pero", sagt Alfred Hoch im daStandard.at-Gespräch. Das nicht ohne Grund: "Sie engagieren sich für uns sehr aktiv in der ex-jugoslawischen Community." Auf die Frage, warum Migranten in der ÖVP derart unterrepräsentiert sind, sagt Hoch: "Es hat lange gedauert, bis sie bei uns mitgemacht haben. Die ÖVP Wien geht nicht gezielt auf sie zu." Darin liegt laut Radulović auch das Problem: "Einerseits fehlt zwar das Interesse bei den Migranten selber, andererseits - und das ist schwerwiegender - machen die Parteien viel zu wenig, um hier gezielt Leute hereinzuholen."

Kukić-Jank und Pajkanović zog es zur ÖVP, weil sie deren "Werte" teilen, wie sie sagen. Dazu gehören ein konventionelles Familienbild, die Betonung des Leistungsbegriffs, der Fokus auf neoliberale Marktwirtschaft. Kukić-Jank gibt aber zu: "Als junge Architekturstudentin war eine andere politische Partei interessant für mich. Ich habe mir dann aber alle Programme durchgelesen und mich im Programm der ÖVP wiedergefunden."

"Die Community steckt im politischen Tiefschlaf"

Sind sie aber schon einmal da, wird meist zielgruppengerechte Arbeit betrieben. Auch Pajkanović sagt: "Meine Fokusgruppe sind die Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund, speziell Menschen aus Ex-Jugoslawien." Auf eigene Initiative und auf Wunsch des früheren ÖVP-Klubchefs Matthias Tschirf sollte er in der ex-jugoslawischen Community auf Stimmenfang gehen. Tschirf war es auch, der sich mit dem serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej I. fotografieren ließ und ihn als "charismatische Priesterpersönlichkeit" bezeichnete.

Wahlkampf in der ex-jugoslawischen Community gestalte sich dabei nicht so einfach, wie es scheint: "Wir haben ein Handicap: Mit der ÖVP wurden lange Zeit zwei Namen verbunden: Alois Mock und Erhard Busek. Für die Serben waren die beiden ein No-Go, weil sie die Spaltung Jugoslawiens stark befürwortet haben", sagt Kandidat Pajkanović. Kukić-Jank, die auch im Dachverband für Serbische Vereine in Wien tätig ist, weiß: "Die Community ist leider ziemlich geschlossen, und sie steckt noch im politischen Tiefschlaf." Auch ein anderes Problem sieht sie seit ihrer Kandidatur: "Ich bin erstaunt, wie viele sich wundern, dass ich kandidieren kann. Auf Facebook habe ich gelesen: Ist es möglich, dass eine Frau vom Balkan kandidiert?"

Auch von Widerständen innerhalb der Partei erzählt sie: "Ich kann nicht sagen, dass mich alle mit offenen Armen willkommen geheißen haben. Ich bin sehr aktiv und laut, natürlich gibt es Menschen, denen das nicht gefällt und die gleich merken, dass ich anders bin." Oft wird sie auf ihren prominenten Nachnamen angesprochen. Ihr Mann Richard Jank arbeitet beim Wirtschaftsbund, hat aber keinerlei Verwandtschaftsverhältnis zu Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien und ÖVP-Spitzenkandidatin auf der Wiener Landesliste. "Mein Name ist zurzeit manchmal ein Problem, weil viele Leute sagen, ich nütze ihn aus. Ich habe sogar schon gehört, ich sei die Tochter von Jank", erzählt Kukić-Jank.

Feigenblatt-MigrantInnen

Eines hat die ÖVP bei dieser Wahl erkannt: MigrantInnen sind eine wichtige Zielgruppe. Sie werden bei der Wahl Ende September entscheidend sein, ist ÖVP-Kandidat Pajkanović überzeugt: "Bei dieser Wahl wird es viele Wechselwähler geben. Es wird sich einiges umschichten, insbesondere bei der Wahlbevölkerung mit Migrationshintergrund."

Kukić-Jank meint ebenso: "Die Partei weiß, dass es in dieser Gruppe viele Nichtwähler gibt." Und jene, die wählen, entscheiden sich zum Großteil nicht für die ÖVP. Bei der Nationalratswahl 2008 wählten laut SORA-Wahlanalyse knapp 50 Prozent der ÖsterreicherInnen mit Migrationshintergrund die SPÖ und lediglich 14 Prozent die ÖVP. Kandidat Pajkanović gibt zu: "Die SPÖ hat versucht, diese Leute zu kontaktieren. Irgendwo hatte man Berührungspunkte." Auf die Frage, ob die ÖVP hier etwas verabsäumt habe, sagt er: "Man holt nach."

Die ambivalente Beziehung der ÖVP zu ihren Kandidaten mit Migrationshintergrund lässt sich auch an Beispielen aus der Vergangenheit festmachen. Die ehemalige Gemeinderätin Şirvan Ekici etwa wurde bei der Wien-Wahl 2010 von der damaligen Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek kaltgestellt. Stattdessen holte sie Schwimmstar Dinko Jukić ins Team. Was anfangs von massiven medialen Zuversichtsbekundungen geprägt war, endete mit einer Niederlage. Nachdem Jukić das Grundmandat im Wahlkreis Meidling verpasst hatte, war im Oktober 2010 noch die Rede davon, er würde seine politische Karriere bei der ÖVP fortsetzen. Doch er verschwand schnell von der politischen Bildfläche. Alfred Hoch, Landesgeschäftsführer der ÖVP Wien, sagt heute: "Man sieht ihn hin und wieder einmal."

"Es ist bedauerlich, dass Migranten in den Wahlkampf geschickt werden, um Stimmen zu fangen, und danach keine Sprünge innerhalb der Partei machen oder gar ganz weggehen", bemängelt Žarko Radulović. Auch Politikberater Thomas Hofer kritisiert: "Die Kandidaten dürfen nicht nur als Feigenblatt missbraucht werden. Da müssen die Parteien noch viel lernen."

Kandidatin Tatjana Kukić-Jank ist das bewusst: "Es kann sein, dass ich nach diesen Wahlen wieder dort stehe, wo ich vorher war. Aber alles braucht seine Zeit." (Jelena Gučanin, 13.9.2013, daStandard.at)