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Die Saison hat für Marcel Hirscher längst schon begonnen, mit Training, mit Terminen wie jenem am Freitag in Wien, wo er mit Sponsor Raiffeisen bis 2016 verlängerte. Der Weltcup beginnt am Nationalfeiertag in Sölden.

Foto: APA/Hochmuth

Standard: Sind Sie heuer ein besserer Skifahrer als in der vergangenen Saison?

Hirscher: Das glaube ich schon. Immerhin bin ich um ein Jahr älter geworden und reicher an Erfahrung.

Standard: Wann hat die Vorbereitung auf die Saison begonnen?

Hirscher: Am 1. Mai. Da habe ich mit dem täglichen Trockentraining begonnen, mit Kraft, Grundlagen und Ausdauer. Einen knappen Monat habe ich bis jetzt auf Schnee trainiert.

Standard: Den Großteil davon in Südamerika, auch mit der Abfahrtsmannschaft mit Schwerpunkt Super-G. Werden Sie den Super-G fix in Ihr Repertoire aufnehmen?

Hirscher: Komplett werde ich ihn auf keinen Fall aufnehmen. Wahrscheinlich werde ich es machen wie im Vorjahr, dass ich sporadisch Rennen einbaue.

Standard: Für den Super-G sind auch andere Muskeln zu trainieren wie für Slalom oder Riesenslalom. Macht das im Aufbau einen Unterschied?

Hirscher: Doch, aber für mich ist er minimal. Meine Kernkompetenz liegt in den technischen Disziplinen, und ich werde, wenn ich drei Super-G fahre, diesen sicherlich nichts unterordnen.

Standard: Weil das zulasten der technischen Disziplinen gehen würde?

Hirscher: Sicher. Der Unterschied ist ja der, dass man im Slalom aktiv unterwegs ist und in den schnellen Disziplinen statisch.

Standard: Welche Sportarten haben Sie im Sommer sonst noch betrieben, von denen Sie zwischen den Toren profitieren können?

Hirscher: Sportarten, die sich bewährt haben. Viel Motocross, viel Kajakfahren, Radfahren sowieso.

Standard: Sie haben bei der WM in Schladming zwei Goldmedaillen gewonnen auf einem Ski, den Sie selbst mitentwickelt haben. Haben Sie für die Winterspiele in Sotschi etwas Spezielles gebastelt?

Hirscher: Was das Äußere betrifft, nicht. Da werde ich dem gewohnten Marcel-Hirscher-Design treu bleiben. Aber wir haben in der vergangenen Saison und im Training einige wichtige Erkenntnisse gewonnen, die wir hoffentlich umsetzen können.

Standard: Im Slalom waren Sie der Chef, aber im Riesenslalom gibt es offensichtlich einiges aufzuholen im Vergleich zu Ted Ligety.

Hirscher: Leider noch immer. Wir haben bis dato nicht die Fortschritte erzielt, die wir uns erhofft hatten. In etwa weiß ich, wie es funktioniert und wie er es macht. Aber wir sind noch nicht so weit, obwohl sich alle den Arsch aufreißen bei Atomic und im ÖSV-Team. Wir arbeiten akribisch. Aber das ist nicht so einfach, wie es manch einem erscheint.

Standard: Gehen Ihnen mitunter die Bilder von Schladming durch den Kopf? Denken Sie noch daran, wie Sie es geschafft haben, dem gigantischen Erwartungsdruck dort standzuhalten?

Hirscher: Sehr oft. Gefühlte ein- bis zweihundert Mal hab ich mir das auf Youtube angeschaut. Nicht umsonst. Das ist noch immer unfassbar für mich.

Standard: Noch vor dem Weltcupauftakt in Sölden findet die Nationalratswahl statt. Hat eine Partei versucht, Ihre Popularität zu nutzen, gab es Anfragen?

Hirscher: Nein, ich hab ja oft genug kommuniziert, dass ich mich da nicht öffentlich einmische.

Standard: Sie gehören quasi zur Generation Politikverdrossenheit. Trifft das auf Sie persönlich zu?

Hirscher: Jein. Irgendwie schon, irgendwie nicht. Viele meiner Mitmenschen sagen, dass sie keinen Favoriten haben, nicht wissen, wen sie wählen sollen.

Standard: Werden Sie wählen?

Hirscher: Ja.

Standard: Wissen Sie, wen?

Hirscher: Ja.

Standard: In Sotschi ist die Situation wieder eine andere. Die Opposition hat es nicht leicht, die Umwelt auch nicht. Menschen wurden abgesiedelt, es gibt Terrordrohungen. Muss man das als Sportler ausblenden?

Hirscher: Man kann es ausblenden, man kann sich auch damit beschäftigen. Ich will jetzt nicht gescheit daherreden über ein Politsystem in einem Land, wo ich mich bei den Hintergründen zu wenig auskenne, wo sich die wenigsten wirklich auskennen. Gedanken mache ich mir. Urteilen will ich nicht.

Standard: Sie haben sich im Mai einer Augenoperation unterzogen, und man hört, Ihr Sehvermögen liegt nun bei 150 Prozent. Wie kann man sich das praktisch vorstellen?

Hirscher: Mein Sehvermögen liegt bei 160 Prozent, das klingt aber nach mehr, als es ist. Ein junger erwachsener Mann wie ich hat im Schnitt 150 Prozent.

Standard: Wie viele Dioptrien hatten Sie vorher?

Hirscher: Wenig, mein Problem war die Hornhautverkrümmung, ich hab ein Sehdefizit von 40 Prozent pro Auge gehabt.

Standard: Da muss sich das Leben dramatisch geändert haben nach der Operation?

Hirscher: Das war ein Wahnsinn. Ich bin erst draufgekommen, wie fesch meine Freundin wirklich ist. Es ist ein Riesenfortschritt in der Lebensqualität. Und damit meine ich nicht das Skifahren.

Standard: Jens Byggmark fällt wegen eines Kreuzbandrisses für die Olympiasaison aus, Felix Neureu-ther hat grobe Probleme mit dem Knie. Wie geht es Ihnen?

Hirscher: Gott sei Dank hab ich keine akuten Probleme wie meine Spezis. Aber dass Spitzensport nicht unbedingt das Gesündeste ist, wissen wir. Ich bin jetzt das siebente Jahr im Weltcup unterwegs, und ich spüre natürlich, dass ich keine 18 mehr bin. Aber ich darf nicht jammern, brauche kein Schmerzmittel, mir geht es gut.

Standard: Mit 24 haben Sie schon reichlich Interviews gegeben. Gibt es irgendetwas, was Sie dringend loswerden wollen und wonach Sie noch niemand gefragt hat?

Hirscher: Eigentlich nicht. Sicher gibt's spannende Fragen und welche, die man nicht mehr hören kann. Für mich sind Interviews nach wie vor unterhaltsam. Was ich jetzt aber dringend sagen muss, ist, dass mein Akku nur noch vier Prozent hat.

Standard: Na dann noch etwas Spannendes. Wollen Sie in Sotschi eine Medaille gewinnen?

Hirscher: Die Frage ist super. No na net will ich eine Medaille. Dass das nicht einfach ist, dessen bin ich mir natürlich bewusst. Ich hoffe, dass sich Ihre Leser dessen auch bewusst sind. (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 14./15.9.2013)