Ali Akbar Salehi, der alte und neue Chef des iranischen Atomprogramms, wird ab Montag in Wien an der Generalkonferenz der IAEO teilnehmen. Salehi verkörpert die Kontinuität im unbeirrten Streben des Regimes in Teheran nach der nuklearen Option. Bevor er unter Mahmud Ahmadi-Nejad Außenminister wurde, war er bereits von 2009 bis 2011 Leiter des Atomprogramms und stand auf der Sanktionsliste der EU. Als Außenminister wurde er absurderweise von dieser gestrichen, und man fragt sich, warum er nicht wenigstens jetzt, nachdem er in sein altes Amt zurückgekehrt ist, wieder sanktioniert wird.

Seinen letzten Wien-Besuch im Februar, bei dem Salehi von Außenminister Michael Spindelegger empfangen wurde, nutze er als Vertreter eines Regimes, das auch in Europa zahlreiche Menschen ermordet hat, um Kritikern der Ajatollahs offen zu drohen: Sie sollten "vorsichtiger" sein, da sie sonst in "Problemsituationen" geraten könnten.

Man darf gespannt sein, ob Salehis Drohungen bei seiner jetzigen Wien-Visite zumindest thematisiert werden. Das darf schon deswegen bezweifelt werden, weil offensichtlich auch die österreichische Politik in Salehis Chef, dem neuen iranischen Präsidenten, jenen "Hoffnungsträger" sieht, als der er fälschlicherweise immer wieder porträtiert wird.

Hassan Rohani ist selbst 2009, als Millionen Iraner gegen das Regime aufbegehrt haben und mit brutaler Gewalt konfrontiert waren, keine Sekunde von der Seite des Obersten Geistlichen Führers Ali Khamenei gewichen. Seit Rohanis Wahl wurden im Iran mehr als 140 Menschen hingerichtet. Das geplante Treffen von Bundespräsident Heinz Fischer mit dem neuen Aushängeschild des iranischen Regimes bei der UN-Generalversammlung in New York setzt schon deswegen ein völlig falsches Signal. Rohanis angebliche Glückwünsche zum jüdischen Neujahrsfest, die von iranischen Nachrichtenagenturen umgehend dementiert wurden, ändern nichts an den Vernichtungsdrohungen gegen Israel. Diese Drohungen wurden seit der Wahl Rohanis sowohl von Khamenei, der bis heute auf seiner Website den Holocaust als einen "Mythos" bezeichnet, als auch von Generälen der Revolutionswächter bekräftigt.

Falsche Signale

Rohani soll durch sein Dauerlächeln zur Aufhebung der vollkommen unzureichenden Sanktionen beitragen, was die Lobbyisten des Iran-Handels in helle Freude versetzt. Im Westen und insbesondere in der EU kann man sich gar nicht genug beeilen, dem Regime zu signalisieren, man sei zum Entgegenkommen bereit. Dass sowohl Rohani und sein neuer Außenminister Mohammad Zarif als auch Ali Akbar Velajati als außenpolitisches Sprachrohr Khameneis mehrfach klargestellt haben, dass sie "kein Jota" von den "nuklearen Rechten" des Iran preisgeben werden und eine vollständige Aussetzung der Urananreicherung unter keinen Umständen zur Debatte steht, wurde im Westen nicht einmal mehr kommentiert, sondern stillschweigend als Bedingung der Iraner für neue Verhandlungen akzeptiert.

Während sein Vorvorgänger Manutschehr Mottaki die Holocaustleugnerkonferenz in Teheran 2006 feierlich eröffnet hat, bemüht sich Außenminister Zarif angeblich auch in dieser Frage um ‚Moderation'. Das klingt dann so: "Wir verurteilen das von den Nazis verübte Massaker an den Juden. Und wir verurteilen das von den Zionisten verübte Massaker an den Palästinensern." Diese Äußerung wurde ihm absurderweise in fast der ganzen Welt als Abkehr von der bisherigen iranischen Linie gutgeschrieben. Die Gleichsetzung der zum "Massaker" verharmlosten Shoah mit der Politik Israels gegenüber den Palästinensern müsste selbst nach Definition der EU als blanker Antisemitismus gelten, wurde von westlichen Beobachtern aber allen Ernstes als ‚wichtiges Signal', ‚großer Fortschritt' und ‚hoffnungsfrohes Zeichen' gedeutet. Das zeigt, wie leicht es Rohani fallen dürfte, seine künftigen Verhandlungspartner um den Finger zu wickeln und die westliche Öffentlichkeit zu beeindrucken, während die Zentrifugen im Iran weiterlaufen und die Arbeiten zur Plutoniumgewinnung im Schwerwasserreaktor in Arak unvermindert weitergehen.

Für Khameneis Streben nach der nuklearen Option ist Rohani der richtige Mann zur richtigen Zeit. Für den Westen ist er eine bequeme Ausrede, um keine ernsthaften Schritte gegen das iranische Regime zu setzen. Für Israel sind die Reaktionen auf seine Wahl die Bestätigung, dass man sich darauf vorbereiten muss, gegebenenfalls eigenständig gegen die iranische nukleare Aufrüstung vorzugehen, sollten jene Staaten, die dazu die Mittel in der Hand haben, nicht doch noch durch deutlich verschärfte Sanktionen und eine klare militärische Drohung dem Atomprogramm der Ajatollahs Einhalt gebieten. (DER STANDARD, 16.9.2013)