Giglio - Die Bergung des vor Giglio havarierten Kreuzfahrtriesen ist eine einzigartige Aktion. Die Costa Concordia aufzurichten, galt dabei als der heikelste Teil. Doch damit ist der "Schandfleck" vor der italienischen Insel noch nicht beseitigt. Was geleistet wurde und was noch kommt, bis das Wrack weggebracht ist:

Wer hat die Bergung vorbereitet?

Etwa 500 Experten aus nicht weniger als 20 Ländern haben seit Mai 2012 die schwierige Bergung des gekenterten Kreuzfahrtschiffes vor Giglio vorbereitet. Das amerikanisch-italienische Bergungsteam Titan-Micoperi stimmte sich dabei mit dem Zivilschutz in Rom ab. Der Aufwand an Material und Personal ist riesig. Mehr als 20 Schiffe sind im Einsatz, 15.000 Tauchgänge waren vor der Bergungsaktion notwendig.

Warum ist die Bergung der Costa Concordia heikel?

Mit einer Länge von etwa 300 Metern und einem Volumen von mehr als 114.000 Tonnen ist das italienische Kreuzfahrtschiff eines der größten Schiffe, das jemals in einem Stück geborgen worden ist. Im toskanischen Insel-Archipel gelegen, sollten für Giglio und Umgebung auch Umweltfolgen vermieden werden, wie sie ein Auseinanderbrechen auslösen könnten. Schlimmstenfalls könnte das Wrack ganz versinken.

Was wurde für die Bergungsaktion vorbereitet und eingesetzt?

Mehr als 30.000 Tonnen Stahl wurden für die Konstruktion aller benötigten Teile vor der Bergungsaktion herbeigeschafft. Um die Lücken zwischen den Felsen unter dem Rumpf zu schließen und somit das Wrack nach der Aufrichtung zu stabilisieren, liegen 1.180 Sand- und Zementsäcke auf dem damit "eingeebneten" Meeresboden. Das Riesenwrack steht dann auf sechs Plattformen, die mit 21 Pfeilern im Boden verankert sind.

Und was passiert, wenn das Wrack aufgerichtet ist?

Nach diesem heiklen ersten Schritt bleibt noch viel zu tun. Ist das Wrack vorsorglich stabilisiert, dann müssen weitere Schwimmbehälter - insgesamt 15 - an der Steuerbordseite angebracht werden. Das Wasser wird aus diesen Schwimmkästen auf beiden Seiten gepumpt, das Schiff "schwimmt" wieder. Danach wird die "Costa Concordia" verankert - bis zum Abtransport, der für das erste Halbjahr 2014 vorgesehen ist. Das wird dann die letzte Fahrt des Unglücksschiffes. Es wird abgewrackt.

Nach gelungener Aufrichtung geht aber auch die Suche weiter: Zwei Leichen konnten nicht geborgen werden, die einer Italienerin und die eines indischen Crewmitglieds. Diese Opfer vom 13. Jänner 2012 doch noch zu finden, ist eine ganz wesentliche Aufgabe.

Wo soll die Costa Concordia zerlegt werden?

Weil es Investitionen bringt und Arbeitsplätze schafft, haben sich einige Häfen darum gerissen, den Kreuzfahrtriesen zerlegen zu dürfen. "Entschieden wurde, dass der Hafen von Piombino das Ziel sein wird", hatte der italienische Zivilschutzchef Franco Gabrielli erklärt. Ob es die unweit von Giglio gelegene toskanische Stadt tatsächlich sein wird, ist noch offen: "Die Costa Concordia wird aber nur nach Piombino gebracht, wenn der Hafen auch in der Lage ist, die Arbeit zu tun", hatte Gabrielli hinzugefügt. Sonst müsse eben neu überlegt werden.

Und wer zahlt das alles?

Mindestens 600 Millionen Euro soll die Bergungsaktion kosten, die Gesamtsumme ist bereits mehrfach erhöht worden. "Die Beseitigung der Costa Concordia und alle noch folgenden Operationen werden den Steuerzahler nichts kosten", hatte Gabrielli versichert, "die Kosten werden ganz von privater Seite getragen." Also von der Genueser Reederei Costa Crociere und deren Versicherungen. Allerdings hat der angepeilte Abwrackhafen Piombino Medienberichten zufolge 73 Millionen Euro für Umbauarbeiten vom Staat erhalten, um das Wrack zerlegen zu können.

Wie geht es juristisch weiter?

Wird die Costa Concordia abgeschleppt, verschwindet ein Schandfleck, der weltweit durchaus auch als ein Symbol für einen Schiffbruch des Krisenlandes Italien angesehen wurde. Auch das seltsame Verhalten des Kapitäns Francesco Schettino gehört dazu - er soll das Schiff während der Evakuierung verlassen haben. Kommenden Montag geht in der toskanischen Stadt Grosseto der Prozess gegen ihn weiter. (APA, 16.9.2013)

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Die Chronologie der juristischen Aufarbeitung

Chronologie der juristischen Aufarbeitung

Seit der Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia im Jänner 2012 arbeiten Experten an der komplizierten Bergung des Wracks. Mit der Aufrichtung des Schiffs begann am Montag die entscheidende Phase. Auch die juristische Aufarbeitung des Unglücks ist noch nicht beendet. Ein Überblick:

2012

13. Jänner: Die mit 4.229 Menschen besetzte Costa Concordia rammt nahe der toskanischen Insel Giglio einen Felsen und läuft 50 Meter vor der Küste auf Grund. Der Kapitän spielt den Unfall herunter, erst eine Stunde nach der Kollision beginnt die Evakuierung.

14. Jänner: Kapitän Francesco Schettino wird festgenommen. Ihm und seinem Steuermann werden mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und das vorzeitige Verlassen des Schiffes zur Last gelegt.

15. Jänner: Der italienische Eigner des Schiffs, die Gesellschaft Costa Crociere, wirft der Schiffsführung Fehler sowohl bei der Routenführung als auch im Umgang mit dem Unglück vor.

17. Jänner: Kapitän Schettino wird an seinem Wohnort Meta di Sorrento südlich von Neapel unter Hausarrest gestellt. Es gibt erste Strafanzeigen gegen die Reederei.

27. Jänner: Costa Crociere und ein Zusammenschluss der Passagiere einigen sich auf eine Entschädigung in Höhe von 11.000 Euro pro Person sowie eine Erstattung der Unkosten. Die meisten jener Passagiere, die weder verletzt wurden noch Angehörige oder Freunde verloren, nehmen dieses Angebot an.

12. Februar: Es wird damit begonnen, die 2.400 Tonnen Treibstoff aus der Costa Concordia abzupumpen, um eine Ölpest zu verhindern.

3. März: Vor dem Gericht in Grosseto beginnen die ersten von zahlreichen Anhörungen. Sechs Angestellte von Costa Crociere, unter ihnen Kapitän Schettino, werden angeklagt.

5. Juli: Der Hausarrest gegen Schettino wird aufgehoben, am 11. Juli bittet er im Fernsehen um Entschuldigung. Ende des Monats wird er von seinem Arbeitgeber entlassen, wogegen Schettino klagt.

13. September: Ein Gutachten belegt das Versagen von Costa Crociere im Umgang mit dem Unglück. Die Experten halten der Reederei vor, das Ausmaß des Unfalls unterschätzt zu haben. Die größte Verantwortung trägt demnach der Kapitän.

2013

10. April: Costa Crociere einigt sich mit der Justiz auf einen Vergleich, wonach die Kreuzfahrtgesellschaft eine Million Euro Strafe zahlen muss und dadurch einem Prozess entgeht.

17. April: Das Gericht in Grosseto lässt 250 Nebenkläger zu, unter ihnen Costa Crociere, die Insel Giglio und der italienische Staat.

14. Mai: Die sechs Angeklagten verlangen, Absprachen über ihr Strafmaß zu treffen. Die Staatsanwaltschaft stimmt bei allen außer Schettino zu.

17. Juli: Beginn des Prozesses gegen Schettino. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Seine Anwälte beantragen erneut eine außergerichtliche Einigung und erklären, Schettino würde sich teilweise schuldig bekennen, wenn das Strafmaß auf drei Jahre und fünf Monate Haft begrenzt werde.

20. Juli: Die fünf Mitangeklagten werden zu Haftstrafen zwischen 18 und 34 Monaten verurteilt.

16. September: Am Vormittag beginnt die Aufrichtung der Costa Concordia. (APA, 16.9.2013)