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Jürgen Trittin und Katrin Goering-Eckardt, das grüne Spitzenkandidaten-Duo für die Bundestagswahl.

Foto: DAPD/Nigel Treblin

Es war kein schlechter Sommer für die deutschen Grünen. Zwar war ihnen schon seit Wochen klar, dass es nach der Bundestagswahl vom 22. September für eine Neuauflage von Rot-Grün wohl nicht reichen wird. Aber immerhin hatte die Ökopartei einen Trost: Es würde nicht an ihr liegen, sondern an der Schwäche der sozialdemokratischen Wunsch-Koalitionspartners.

Während die SPD eine Zeitlang bei 25 Prozent grundelte, lieferten die Grünen in Umfragen immerhin stabile 13 Prozent. Das war deutlich mehr als sie bei der Bundestagswahl 2009 real erzielt hatten, damals erreichten sie 10,7 Prozent. Man spürte also während des Sommers eine gewisse Selbstzufriedenheit, gepaart mit kummervoll-mitleidigen Blicken auf die SPD.

Grüne Hoch-Zeit vorbei

Natürlich wussten auch die Grünen, dass die Hoch-Zeiten vorbei sind. Man erinnere sich an die Landtagswahl von Baden-Württemberg im März 2011. Kurz nach dem Supergau von Fukushima brauchten die Grünen im damals schwarz-gelb regierten Ländle bloß "Atomkraft – nein danke" sagen, und schon war der amtierende CDU-Ministerpräsident  Stefan Mappus (ein erklärter Freund der Kernkraft) abgewählt. Sensationelle 24,2 Prozent schafften die Grünen bei der Wahl, seither regiert dort Grün-Rot unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Berauscht vom Erfolg machte sich Fraktionschefin Renate Künast im Herbst 2011 dann in Berlin auf den Weg, um es Kretschmann gleichzutun und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) abzulösen. Sie selbst wollte Bürgermeisterin werden, und eine Zeitlang haben viele geglaubt, das sei tatsächlich zu schaffen.  Es wurden dann aber "nur" 17,6 Prozent, die Grünen schafften es nicht einmal in die Berliner Landesregierung. Wowereit regiert dort heute bequem und geräuschlos mit der CDU als kleinem Partner.

Künast galt als die große Wahlverliererin von Berlin, dabei hatte sie 17,6 Prozent eingefahren. Ein Ergebnis, von dem die Grünen heute nur träumen können. Aber damals sahen auch in ihrer Partei viele nicht das halb volle Glas Wasser (17,6 Prozent), sondern nur das halb leere (Künast ist nicht Bürgermeisterin).

Umfrage-Schock

Der Schock des jetzigen Bundestagswahlkampfes erreichte die Grünen in der Vorwoche. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa sah sie in einer Umfrage nur mehr einstellig, nämlich bei neun Prozent. Selbstverständlich trommelt jetzt die ganze Partei, dass Umfragen ja noch keine Wahlergebnisse seien.

Aber Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt gibt schon offen zu, dass die Grünen offenbar ein Vermittlungsproblem haben. Sie fordern ja im Wahlkampf Steuererhöhungen für Reiche. Ab einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent angehoben werden. Grüne Wähler, die gut verdienen, würden das ohne mit der Wimper zu zucken hinnehmen, meinte man lange Zeit in der Parteizentrale. Denn wer mit Biojoghurt isst, mit der Stofftasche einkauft und Rad fährt, der gibt auch gerne einen Teil seines Einkommens für das Gemeinwohl ab.

Offenbar ist nicht angekommen, dass nur zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger stärker belastet werden. Es fühlen sich plötzlich ganz viele betroffen - und sind erschrocken.

Veggieday-Problem

Doch die Steuerdebatte ist nicht das einzige Problem der Grünen. Geschadet hat ihr auch die Debatte um den Veggieday. Einmal pro Woche sollten öffentliche Kantinen darauf verzichten, Fleisch anzubieten, so lautet der Vorschlag.  Egal, ob man dies vernünftig findet oder auch nicht, eines ist recht klar: Die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland hängt nicht vom Veggieday ab, es gibt deutlich wichtigere Themen.

Auch dank zahlreicher Meinungsäußerungen der politischen Gegner hatten die Grünen plötzlich ein Image am Hals, auf das sie gerne verzichtet hätten: Sie sind Besserwisser, die den Menschen sogar nicht nur die Benzin-Sorte und die Kleidung aus fair gehandelter Baumwolle vorschreiben wollen, sondern sogar, was sie essen sollen. Und das ist hängen geblieben, auch wenn die aus Thüringen stammende Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt jetzt noch so oft betont, dass sie gerne die berühmten Thüringer Rostbratwürstchen isst (die echten aus Schweinefleisch, nicht aus Tofu).

Der Themen-Mix bereitet in der letzten Woche vor der Bundestagswahl noch andere Probleme. Ein zentrales Thema, mit dem sie gut mobilisieren können, haben die Grünen, seit die schwarz-gelbe Regierung nach Fukushima den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen hat, nicht mehr. Dafür holt sie eine schreckliche Geschichte aus der Vergangenheit ein. Einige Ur-Grüne waren vor 25 Jahren der Ansicht, man müsse Sex mit Kindern nicht unter Strafe stellen. Heute vertritt keiner mehr, der in der Grünen Partei an maßgeblicher Stelle sitzt, diese Position. Aber Spitzenkandidat Jürgen Trittin war in seiner Göttinger Zeit einmal für derlei Aussagen verantwortlich. Wahlkampfhilfe auf den letzten Metern sieht anders aus. (Birgit Baumann, derStandard.at, 17.9.2013)