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Ein Deal, der Russland in die oberste internationale Liga zurückbringt: Wladimir Putin und Barack Obama (hier bei einem Treffen 2012).

Foto: AP/Kaster

Im Jahr 2005 bezeichnete der russische Präsident und ehemalige Geheimdienstoffizier Wladimir Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion als "die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts". Keine zehn Jahre später darf derselbe Putin in seiner dritten Amtszeit den größten internationalen Prestigeerfolg des postsowjetischen Russland feiern.

Wenn es einen Gewinner in der syrischen Tragödie geben kann, dann ist es Moskau – vorerst. Denn ob die russisch-ame­rikanische Übereinkunft zur Kontrolle und Vernichtung der syrischen Chemiewaffen einigermaßen wirksam umgesetzt werden kann, ist offen. Was bleibt, ist der ganz seltene Fall, dass Russland in einem internationalen Konflikt eine konstruktive Rolle spielt.

Bisher hatte sich Moskaus Position in Streitfällen mit dem Westen und seiner Führungsmacht USA fast immer an der berühmt-berüchtigten Njet-Doktrin des sowjetischen Außenministers Andrej Gromyko orientiert. War es einmal nicht so, dann stellte sich Russland als vom Westen hintergangen dar. Das gilt vor allem für den Fall Libyen.

Mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats vom 17. März 2011 wurden die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen und "alle notwendigen Maßnahmen" zum Schutz der Be­völkerung gebilligt. Am 19. März begannen die Luftangriffe westlicher Länder, darunter die USA, auf Einrichtungen des Gaddafi-Regimes. Am 31. März übernahm die Nato den Gesamtbefehl über den Militäreinsatz, der am 31. Oktober endete und entscheidend zum Sturz Gaddafis beitrug.

Putin, damals russischer Premier, prangerte die westliche Militäraktion als "Kreuzzug" an. In der russischen Öffentlichkeit hat sich seither die Ansicht verfestigt, Moskau sei in Libyen vom Westen hereingelegt worden.

Das durfte sich nicht wiederholen. Eine erste entsprechende Lektion erteilte Putin dem Westen – mit unfreiwilliger Unterstützung des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili – im Georgienkrieg 2008. Seither ist ein Nato-Beitritt des Kaukasuslandes, der nur noch eine Frage der Zeit schien, in weite Ferne gerückt.

Im Fall Syrien machte Putin von Anfang an klar, dass er den Verbündeten aus Sowjetzeiten nicht fallenlassen würde. Schärfere UN-Resolutionen mit Sanktionsdrohungen verhinderte Russland mit der Begründung, dass dadurch nur noch größeres Blutvergießen bewirkt werde. In der Folge häuften sich jene Massaker, die Russland verhindern zu wollen vorgab.

Der Giftgasangriff vom 21. August und die US-Vorbereitungen für eine Militäraktion gaben Putin eine einmalige Chance. Und er nutzte sie virtuos. US-Präsident Barack Obama, im Dilemma zwischen glaubhafter Gewaltandrohung und innenpolitischem Widerstand, muss den Russen dankbar sein, dass sie ihn – zumindest vorerst — das Gesicht wahren lassen. Die haben wiederum, mit Blick auf islamistische Extremisten, selbst starkes Interesse daran, das (von der UdSSR mitaufgebaute) syrische C-Waffen-Arsenal unschädlich zu machen.

Putin kann sich als effizienter internationaler Krisenmanager in Augenhöhe mit den USA darstellen – und von wachsenden innenpolitischen Problemen ablenken, die auch bei den jüngsten Regionalwahlen offenkundig wurden.

Dass dies allein reicht, um das aus seiner Sicht lange gedemütigte postsowjetische Russland wieder zur Supermacht zu machen, wird aber vermutlich nicht einmal Putin selbst glauben. Und dass ihm die US-Gewaltandrohung gegen das syrische Regime geholfen hat, wird er nicht sagen. (Josef Kirchengast /DER STANDARD, 17.9.2013)