Damaskus - Der Streit um den Bericht der UN-Chemiewaffenexperten aus Syrien geht weiter. Erst zankten sich Russland und die USA über die Schlussfolgerungen, nun nimmt Moskau die UN-Spezialisten selbst ins Visier. Syriens Staatschef Bashar al-Assad dankte der russischen Regierung für ihre Unterstützung und trieb damit einen weiteren Keil zwischen Moskau und den Westen. Deutschland hat indes jahrelang Chemikalien an Syrien verkauft.
Russland und die USA hatten am Wochenende eine Grundsatzeinigung über eine UN-Resolution zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen erzielt. Deren Ausgestaltung sorgt aber für erhebliche Debatten. Paris, Washington und London dringen auf eine UN-Resolution gemäß Kapitel VII der UN-Charta, das auch militärische Gewalt erlauben würde. Dies lehnt Moskau aber ab.
Der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow kritisierte am Mittwoch nach einem Treffen mit Assad die Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen scharf und unterstellte ihnen, sie seien "politisiert, voreingenommen und einseitig" vorgegangen. Assad sagte nach Angaben des syrischen Staatsfernsehens, Russlands Ablehnung einer Androhung militärischer Gewalt werde nun ein "neues globales Gleichgewicht" schaffen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel machte die syrische Führung für den Chemiewaffen-Einsatz in Damaskus verantwortlich und setzte sich für eine robuste Resolution des UN-Sicherheitsrates gegen das Land ein. "Auch die Androhung von Konsequenzen sollte darin enthalten sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Deutschland schloss sich damit der Bewertung der USA, Frankreichs und Großbritanniens an.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen meinte, die militärische Option müsse weiter auf dem Tisch bleiben. Die "glaubwürdige Drohung mit einer Militäraktion" habe der Diplomatie überhaupt erst eine Chance gegeben, sagte er am Mittwoch in London nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron in London.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte am Vorabend in New York einen weiteren Einsatz der Inspektoren in Syrien angekündigt. Sie sollen dort weitere Vorfälle untersuchen. Die Chemiewaffeninspektoren könnten nach Ansicht des Teamleiters Ake Sellström schon in der kommenden Woche für weitere Untersuchungen nach Syrien reisen.
Nach Einschätzung eines hochrangigen israelischen Generals könnte sich Assad trotz des Aufstands noch Jahre an der Macht halten. "Ich sehe nicht, dass ihn irgendjemand morgen stürzt - obwohl er es verdient hätte", sagte General Jair Golan, der Kommandant an der israelisch-syrischen Front, der Zeitung "Jedioth Ahronoth". Eine Militärintervention in Syrien wird einer Umfrage des German Marshall Funds und der italienischen Stiftung Compagnia di San Paolo zufolge von einer Mehrheit der Europäer und Amerikaner abgelehnt.
In Berlin wurde indes bekannt, dass Deutschland zwischen 2002 und 2006 Chemikalien an Syrien geliefert hat, die auch zum Bau von Chemiewaffen verwendet werden können. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Nach Regierungsangaben wurden insgesamt rund 137 Tonnen geliefert. Die Chemikalien sind sogenannte Dual-Use-Güter, die für zivile wie auch militärische Zwecke verwendet werden können. Nach Angaben der Bundesregierung erklärte Syrien damals, die Chemikalien zivil nutzen zu wollen.
Russland lieferte dem Kreml zufolge unterdessen niemals Sprengköpfe mit dem Nervengift Sarin an andere Länder - auch nicht nach Syrien. Die Bemerkung der UN-Inspektoren, an der Stelle des Chemiewaffeneinsatzes nahe Damaskus Sprengköpfe mit kyrillischen Buchstaben gefunden zu haben, verwundere ihn, sagte der Chef der Kremlverwaltung, Sergej Iwanow, am Mittwoch. (APA, 18.9.2013)