Fragt man die Menschen in Österreich, ob sie reich oder arm sind, antworten sie: weder noch. Der Großteil ordnet sein Vermögen in der Mitte ein. In der Nationalbank-Studie zu Vermögen in Österreich sehen sich die reichsten zehn Prozent knapp über der Mitte. Niemand will als "reich" gelten, die Gesellschaft folgt gerne dem Leitbild einer starken Mittelschicht. Als politisches Ziel ist das eine gute Wahl: Egalitäre Gesellschaften sind gesünder, stabiler, glücklicher, erfolgreicher.

Doch in der Vermögensverteilung klafft eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Vermögen sind in Österreich extrem ungleich verteilt. In den Reichstenlisten taucht beispielsweise regelmäßig Billa-Gründer Karl Wlaschek auf, sein Vermögen wird auf 4,2 Milliarden Euro geschätzt.

Laut Billa-Betriebsrat beträgt das Nettogehalt für Feinkostverkäufer (Vollzeit) im ersten Berufsjahr 1091 Euro. Unter der optimistischen Annahme, dass eine Verkäuferin 100 Euro im Monat spart, kann sie bei angenommenen zwei Prozent Realzinsen in einem Erwerbsleben von 40 Jahren etwa 75.000 Euro Vermögen bilden. Wlaschek besitzt also so viel, wie sich 56.600 Billa-Feinkost-Mitarbeiter im Leben ersparen könnten.

Ein Jahr alle Pensionen

Das Vermögen der Familien Porsche und Piëch ist mit geschätzten 41,5 Milliarden Euro gar zehnmal so hoch. Aus ihrer Familienstiftung könnte theoretisch ein ganzes Jahr lang jede öffentliche Pension in Österreich bezahlt werden - der größte Ausgabenposten der Republik Österreich.

Eine kürzlich publizierte Studie der Universität Linz schätzt die Vermögenswerte des reichsten Prozents auf 470 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der gesamte öffentliche Schuldenstand der Republik beträgt mit 227,4 Milliarden Euro nicht einmal die Hälfte. In einem Land, wo das oberste Prozent das Eineinhalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung besitzt, wird im Wahlkampf darüber diskutiert, ob die knapp 200.000 Bezieher von Mindestsicherung den Sozialstaat missbrauchen.

Die jüngsten Studien zeigen auch, dass die Millionengrenze bei Vermögen erst ab dem viertreichsten Prozent übersprungen wird. Von der SPÖ-Vermögenssteuer wären 96 Prozent der Bevölkerung also gar nicht betroffen. Dass bei den wenigen Reichen nichts zu holen wäre, ist übrigens ein Mythos, die obersten vier Prozent besitzen 57 Prozent des gesamten Vermögens. Gleichzeitig tragen Kapitaleinkommen keine zwei Prozent zum Steueraufkommen bei. Das unterstreicht nochmals die Dringlichkeit von Vermögenssteuern.

Obwohl die Sachlage eindeutig ist, haben viele Menschen das Bauchgefühl, die Vermögenssteuer komme einer Enteignung gleich. Gerne werden Extremfälle konstruiert, in denen eine Eigenheimbesitzerin eine zweite Immobilie erbt und damit quasi unverschuldet in die Bemessungsgrundlage für die Vermögenssteuer fällt.

Was als Todesurteil dargestellt wird, ist in Wirklichkeit harmlos: Wenn jemand tatsächlich nach einer Erbschaft auf ein Vermögen von zum Beispiel 1,2 Millionen Euro kommt, dann zahlt diese Person für die 200.000 Euro über der Millionengrenze in dieser Progressionsstufe voraussichtlich 0,5 Prozent, also in diesem Fall 1000 Euro im Jahr. Sollte die betroffene Person sich das tatsächlich nicht leisten können, kann sie einfach die zweite Wohnung vermieten und hat die Vermögenssteuer jährlich bereits im Februar wieder erwirtschaftet.

Es gibt allerdings auch seriösere Einwände gegen die Vermögenssteuer: dass eine Bewertung von Vermögen kaum möglich ist, dass die Betroffenen gegen eine behördliche Bewertung klagen könnten, dass Vermögenstransparenz den Datenschutz untergräbt. Die Kritik läuft darauf hinaus, dass eine Besteuerung von Vermögen in der Realität letztlich nicht umsetzbar ist.

Blick in die Schweiz

Dagegen spricht wiederum ein Blick ins Nachbarland Schweiz, wo eine vorbildliche Vermögenssteuer beachtliche vier Prozent zum gesamten Steueraufkommen beiträgt. Die schweizerische Vermögenssteuer richtet sich wie das Modell der SPÖ nach dem sogenannten Reinvermögen, Schulden können also vom Bruttovermögen abgezogen werden. Alle Vermögensteile werden zu ihrem jeweiligen Verkehrs-, also Marktwert bewertet. Freibetragsgrenzen sind in der Schweiz relativ gering und schwanken je nach Kanton zwischen 18.000 Euro und 135.000 Euro. Dafür sind die Sätze moderat und bewegen sich je nach Progressionsstufe zwischen 0,05 und 0,8 Prozent.

Problem Bankgeheimnis

Allerdings gibt es in der Schweiz auch eine Diskussion über das Bankgeheimnis, das Steuerhinterziehung begünstig: Die Behörden haben keinen Überblick, wem welche Finanzvermögen gehören. Auf ähnliche Probleme für Österreich haben wir als Sektion 8 der SPÖ Alsergrund in diesem Wahlkampf aufmerksam gemacht.

Die Besteuerung von Vermögen ist aber nicht nur gerecht, sondern hat auch eine volkswirtschaftliche Lenkungsfunktion. Wenn es für Reiche nur um eine Spur unrentabler wird, ihr Vermögen in Finanz- und Immobilienveranlagungen zu parken, dann zahlen sich produktive Investitio- nen verhältnismäßig stärker aus. Die Anreize verlagern sich also von der Finanz- in die Realwirtschaft.

Von Spekulanten zu Nutzern

Zusätzlich kommt wahrscheinlich Bewegung in den Immobiliensektor, weil die Attraktivität der Veranlagungsform Immobilie mit einer Vermögenssteuer abnehmen wird. Damit werden Immobilien tendenziell von Menschen über der Millionenvermögensgrenze an Menschen unter der Millionenvermögensgrenze verkauft werden - von Spekulanten an Nutzer.

Das Paradoxon für die ÖVP: Die Vermögenssteuer wird mehr, nicht weniger Eigentümer zur Folge haben. (Eva Maltschnig, DER STANDARD, 19.9.2013)