Washington/Wien - "Wir haben seit fünf Jahren kein Budget mehr gehabt. Niemand weiß, wie hoch die Steuern künftig sein werden." Die Stimmung in Washington ist aufgeheizt. Der Präsident der Notenbank von Dallas, Richard Fisher, kritisierte jüngst die Budgetpolitik von Republikanern und Demokraten im Kongress scharf, die Politik habe "die Kinder und Enkelkinder verraten", weil es seit Jahren eine Blockade in Finanzfragen gebe. In der US-Notenbank Fed ist man daher verstimmt.

Dabei sei die Koordination zwischen Budget- und Geldpolitik heute wichtiger denn je. Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben in einer aktuellen Studie die Rollenverteilung zwischen Geld- und Fiskalpolitik neu verortet - und messen beiden eine wichtige Rolle zu. Damit vollführt der IWF eine Kehrtwende im Vergleich zu vor der Krise, als die Institution in Washington die Budgetpolitik als relativ zahnloses Instrument der Politik einstufte. Daher hat der IWF eine "Neubewertung" vorgenommen. Man habe die Wichtigkeit von antizyklischer Fiskalpolitik in der Vergangenheit unterschätzt. Notenbanken wie die US-Fed könnten nicht alleine für die Versäumnisse der Finanzminister geradestehen.

Dass die aktuelle Krise so schwerwiegend war, ist für das Ökonomen-Team um den IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard auch darauf zurückzuführen, dass Geld- und Fiskalpolitik so schlecht koordiniert gewesen seien. "Die Koordination von Fiskal- und Geldpolitik ist notwendig, um einen Aufschwung überhaupt zu ermöglichen." Dabei gibt es offensichtliche Unterschiede zwischen Europa und den USA: "Große Ankaufprogramme von Staatsanleihen haben das Funktionieren der Finanzmärkte gewährleistet", so die Meinung im IWF. Im Rückschluss schätzen die Ökonomen die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) als relativ zögerlich ein.

Dabei könnte die US-Notenbank Fed genau jene "großen Ankaufprogramme" zurückfahren. Aktuell kauft die Notenbank in Washington 45 Milliarden Dollar an Staatsschulden pro Monat. 2041 Mrd. Dollar an Anleihen hält die Fed auf ihrer Bilanz, mehr als zwölf Prozent der Staatsschulden.

Weniger ist mehr

Eine weitere Nachricht, die die Volkswirte des IWF ihren Direktoren nahelegen: nicht zu schnell konsolidieren. Es gebe eine "Höchstgeschwindigkeit" für Sparpolitik, die ein Land nicht überschreiten sollte. Sonst drohen einem Staat negative Effekte für die Wirtschaft und ein Teufelskreis aus niedrigerem Wachstum, weniger Steuereinnahmen und neuen Sparmaßnahmen.

Die Ökonomen des IWF machen dabei einen Spagat. Während sie den Finanzministern empfehlen, nicht zu rasch auf die Budgetbremse zu steigen, fordern sie deutlich niedrigere Defizite in Zukunft ein. "Die Lehre aus der Krise ist, dass die Schuldenstände, die als sicher gelten, niedriger sind, als wir angenommen hatten." In der Eurozone haben Länder wie Irland oder Spanien das Maastricht-Kriterium für den Schuldenstand (60 Prozent der Wirtschaftsleistung) vor Ausbruch der Finanzkrise spielend erfüllt. Die Kosten für Bankenrettungen und der Ausfall von lukrativen Steuern bei vormals boomenden Branchen haben aber die Budgets dieser Staaten überspannt. Die Effekte von Finanzkrisen müssten künftig in Defizitkennzahlen eingerechnet werden, schlägt der IWF vor. Damit dürfte es aber noch schwieriger für die Staaten werden, von den Schulden herunterzukommen. (sulu, DER STANDARD, 19.9.2013)