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Die Flasche ist durch den wuchtigen Schlag zu Bruch gegangen.

Sechs Uhr morgens im Nachtdienst: "Frau Doktor kommen Sie schnell, ein Patient hat soeben seinen Bettnachbarn attackiert."

Was zunächst wie ein schlechter Scherz klang, war leider traurige Wahrheit. In einem Doppelzimmer auf der Internen Abteilung hatte sich zu nächtlicher Stunde ein blutiges Drama ereignet.

Zwei ältere Herren teilten sich das Zimmer - und während der eine in dieser Nacht friedlich schlafend in seinem Bett lag, zog ihm sein Bettnachbar eine volle Mineralwasserflasche über den Schädel. Das Glas ging durch die Wucht des Schlags zu Bruch.

Das Krankenzimmer glich einem Tatort-Schauplatz. Blutüberströmt, aber aufrecht sitzend und erstaunlich gelassen saß der verletzte Mann in seinem Bett, während der andere offensichtlich verwirrte und aggressive Mann von einer Gruppe von Pflegern im Zaum gehalten wurde.

Fassungslos stand ich im Zimmer, kurz davor selbst zu dekompensieren und auf dem Absatz kehrt zu machen. Immerhin war es schon fast halb sieben - in rund 30 Minuten würde mein Dienst ohnehin zu Ende sein. Sollte sich doch der nächste Arzt mit dieser Geschichte auseinandersetzen.

Fixieren und sedieren

Das Krankenpersonal blieb gelassen, war es doch nicht das erste Mal, dass ein Patient handgreiflich wurde. Eine Krankenschwester kümmerte sich um die Erstversorgung der Platzwunde, eine andere dokumentierte schon fleißig, während zwei Abteilungshelferinnen für Ordnung sorgten.

Ich tat also, was getan werden musste, forderte die notwendigen Untersuchungen an - Computertomografie und Schädelröntgen - um eine Fraktur oder tiefer liegende Verletzungen auszuschließen. Die Platzwunde wurde in der chirurgischen Ambulanz versorgt.

Mit dem Angreifer war ein Gespräch zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. "Fixieren und sedieren" ging es mir durch den Kopf und gleichzeitig die Frage, ob ich mich hier eventuell in einer rechtlichen Grauzone bewegte. Ich tat letzteres und transferierte den Mann auf eine psychiatrische Abteilung.

Psychotrope Wirkung

Was den Angreifer tatsächlich geritten hatte? Unerfahren wie ich war kam ich nicht auf die Idee, dass die verabreichten Medikamente schuld an dem aggressiven Verhalten des Mannes sein könnten. Der Herr, der sich bis zu dem Ereignis ausgesprochen freundlich und zuvorkommend zeigte, war durch eine Kombination bestimmter Substanzen in den Zustand einer Psychose versetzt worden. Streng genommen war sein auffälliges Verhalten also auf meinem eigenen Mist gewachsen.

Der verletzte Herr hatte im übrigen Glück. Abgesehen von dem gewaltigen Schrecken ist er mit einer Riss-Quetschwunde an der Stirn davon gekommen. (Regina Walter, derStandard.at, 19.9.2013)