Wir schreiben den 26. Jänner 1994. Italiens Parteienlandschaft ist restlos verwüstet nach monatelangen Enthüllungen, Ermittlungen und Verurteilungen in Sachen Korruption. Wie ein Erlöser präsentiert sich ein erfolgreicher, von juristischer Unbill bisher unangetasteter Unternehmer vor dem italienischen TV-Publikum.
"Ich habe beschlossen, das Spielfeld zu betreten", verkündet Silvio Berlusconi seinen Einstieg in die Politik; sorgfältig inszeniert, vor einer Bücherwand an einem gediegenen Schreibtisch sitzend. Perfekt der Anzug, das Hemd, die Krawatte - schon jetzt ganz der künftige Staatsmann. Seine Partei nennt sich Forza Italia - Vorwärts Italien! Der Schlachtruf der Fußballfans. Berlusconi kommt, sieht und siegt - und bestimmt dann fast 20 Jahre lang die Geschicke des Landes wie kein anderer.
Nun ist das Pendel dabei, in die Gegenrichtung auszuschlagen. Rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt, wendet er sich am Mittwoch, wieder via Fernsehen, an seine verbliebenen Anhänger und beschwört den Geist von 1994: Bücherwand, Schreibtisch, Anzug-Hemd-Krawatte, Pathos - alles gleich. Und wieder der Forza-Italia-Schlachtruf. Doch diesmal klingt es nicht nach Verheißung, sondern es riecht nach Verzweiflung. Berlusconi hat nicht erkannt, wie grotesk und absurd es ist, nach zwei Jahrzehnten immer noch so zu tun, als kämpfe er gegen das System. Das System: Das ist schon längst er selbst. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 20.9.2013)