Noch mehr typische Marktküche würde dem Theatercafé gut tun.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Porree Vinaigrette.

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Foto: Piet de Kersgieter

Wie sehr sich Wien in den vergangenen 15 Jahren verändert hat, lässt sich dieser Tage im Theatercafé am Naschmarkt nachvollziehen, das wieder einmal unter neuer Führung neu eröffnet hat.

Als das von Hermann Czech geplante Lokal 1999 aufsperrte, war der Naschmarkt noch ein Ort zum Einkaufen, die Umgestaltung zur Touristenkulisse für allerhand Gastro-Outlets noch nicht absehbar.

Das Lokal mit den großen Fensterflächen und der schlichten, Kaffeehaus und Bistro gleichermaßen zitierenden Einrichtung war ein Instanthit, ideal, um sich vor und nach den Einkäufen zu stärken oder überhaupt gleich in den Abend zu gleiten. Wer heute überlegt, ob er sich bei Umar, Nautilus, im On Market, bei den Nenis oder doch bei Wein & Co sehen lässt, der hatte damals eben nur Ivo Brnjic und dessen Theatercafé - oder halt die Genusstrankler vom Urbanek zur Auswahl.

Möglicher Anschluss an die Zeit vergangener Größe

Die zahlreichen, in immer kürzeren Abständen und mit immer weniger Flair oder gar Inspiration erfolgten Übernahmen wirkten zusätzlich impulshemmend: Nachdem durchaus namhafte Gastronomen gemeint hatten, hier mit abgeschmackter Italo-Küche und sogar mit Tiefkühl-Quiches landen zu können, verkam das schöne Café immer mehr zu einem Ort, an dem man maximal noch in der Pause vom nebenan gelegenen Theater an der Wien vorbeischauen wollte.

Philipp Prodinger, der vor einigen Jahren mit dem Kulinarium 7 in Wien-Neubau angedeutet hatte, dass er auch schwierige Locations mit kulinarischer Spannung zu versehen weiß, will im Theatercafé zeigen, dass da doch noch deutlich mehr geht. Jetzt, wo die Gastronomie am Markt sich immer nachhaltiger dem Trash zu verschreiben scheint, könnte ein guter Moment sein, um an die Zeit vergangener Größe anzuschließen.

Kaffeehausküche vom Markt

Noch wird Prodinger von Startproblemen geplagt, was aus der Küche kommt, verspricht aber schon recht viel. Porree mit gehacktem Ei und Vinaigrette, ein Bistro-Klassiker, ist ideal, um Prodingers Idee einer "Kaffeehausküche vom Markt" zu illustrieren: Unaufgeregte, abwechslungsreiche kleine Gerichte, die gut zu einem Glas Bier oder Wein passen und eine Ahnung von Ort und Zeit (okay - Region und Saison) vermitteln.

Klar gehört da auch Beuschel dazu, ein gutes Beef Trara mit Eierschwammerl oder kleines Gulasch, bei dem das sonst dazu servierte Gurkerl ziemlich unorthodox gewürfelt in den Saft gemischt wird. Schmeckt eh gut - dennoch sollte solchen Spielereien mit Klassikern grundsätzlich mit Skepsis begegnet werden. Da kann sich - siehe Figlmüller-"Schnitzel" - sonst wirklich Schreckliches ganz schnell als "eh gut" einschleichen! Köstlich und ziemlich deutlich in jene Richtung weisend, wo Prodinger hin will: Ochsenmaulsalat mit mürber Pökelzunge, gegrillter Paprika und Schalotten.

Was noch kommen soll, sind zeitgemäße Kaffeehausklassiker, von gefüllten Eiern (mit Sardellen, oder?) über Schinkenrolle bis zu der einen oder anderen Spielerei mit jahreszeitlichem Gemüse. Prognose: Wenn Prodinger das gut über die Rampe bringt, steht einem zweiten Frühling dieses atmosphärisch dichten Ortes nix mehr im Weg. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 20.9.2013)