Bild nicht mehr verfügbar.

Wütende Muslime in Malaysia verbrennen die schwedische Flagge und Bilder von Lars Vilks (2010).

Foto: AP/Rahman

Bild nicht mehr verfügbar.

Spurensicherung nach dem versuchten Mordanschlag auf Lars Hedegaard im Februar 2013.

 

Foto: APA/EPA/Bech
Foto: derStandard.at/Eder

Die Erinnerungen an den Karikaturenstreit im Jahr 2008 sind erwacht. Dänemark diskutiert wieder über die Grenzen der Toleranz. Der 18-jährige Migrant Yahya Hassan aus Palästina prangert in seinen Gedichten Integrationsunwillen und Scheinheiligkeit von Muslimen in Europa an. Es sind keine neuen Vorwürfe, die er ausspricht, doch aus dem Mund eines Einwanderers sorgen sie für entsprechende Brisanz und zeigen einmal mehr die Zerissenheit der Gesellschaft im Umgang mit Meinungsfreiheit und Integration. Und so wie schon andere Islamkritiker vor ihm muss Hassan mit den Konsequenzen seiner Veröffentlichungen leben: Neben Rekordverkäufen im Buchhandel sind es Todesdrohungen und gewalttätige Übergriffe.

150.000 Dollar Kopfgeld

Der Schwede Lars Vilks und der Däne Lars Hedegaard kennen solche Bedrohungen. Die Armada an Bodyguards ist für sie mittlerweile alltäglich, die Einschränkung ihrer Lebensqualität haben sie akzeptiert. Die Fakten sprechen für sich: Insgesamt 150.000 Dollar Kopfgeld setzte Al Kaida auf Vilks aus. Eine US-Amerikanerin ist aufgrund ihrer Anschlagspläne bereits hinter Gittern. Hedegaard entging im Februar nur knapp einem Attentat, auch er erhielt zuvor mehrfach Todesdrohungen. Die Polizei agiert deshalb lieber übervorsichtig, auch wenn dabei Unschuldige zum Handkuss kommen.

So sehr sich Vilks' und Hedegaards Lebensstile oberflächlich betrachtet auch gleichen mögen, dahinter stehen zwei völlig konträre Charaktere mit unterschiedlichen Beweggründen für ihre Kritik am Islam. Beide kennen einander, aber für mehr als gegenseitigen Respekt reicht es nicht. Vilks versucht mit seinen Karikaturen des Propheten Mohammed in Hundegestalt zu provozieren und die Grenzen der Meinungsfreiheit auszuloten. Lars Hedegaard hingegen will mit seinen Büchern "Im Hause des Krieges – Wie der Islam den Westen kolonialisiert" und "1400 Jahre Krieg – Die islamische Strategie" sowie öffentlichen Auftritten seine Botschaft von der Unreformierbarkeit und Gefährlichkeit des Islams dem Publikum näherbringen. 

Kunst braucht die Provokation

Auch in ihrem Auftreten spiegeln sich die unterschiedlichen Haltungen wider. Vilks gilt als sanftmütige Seele, widmet seine volle Aufmerksamkeit dem Gegenüber. Er gibt nicht den entrückten Künstler, sondern den verständnisvollen Professor, wenn er euphorisch von seinen Projekten erzählt und erklärt, wie er mit seinen Pinseln winzige Details auf der Leinwand bearbeitet. "Auf seine leise Art und Weise ist er eine sehr mutige Person", meint die Journalistin Helle Merete Brix. Wo genau er lebt, wissen nur seine engsten Freunde. Nur hin und wieder bricht er aus und gestattet es sich, unter Ansammlungen von Menschen zu gehen.

Vilks versteht sich nicht als expliziter Islamkritiker, sagt aber: "Der Islam hat sich nicht modernisiert. Der Koran wird noch immer wörtlich verstanden und nicht symbolisch. Das bedeutet, dass religiöse Dogmen mitten in unserer modernen Gesellschaft einen Platz haben, und das ist fatal." Die Reaktion der Islamisten hätte nichts mit den Inhalten seiner Kunst zu tun, sondern sei nur eine reflexartige Empörung mit dem Zweck, politische Ideen zu rechtfertigen, so Vilks. In den vergangenen Jahren sei es für die Verfechter der Meinungsfreiheit immer schwieriger geworden, viele fühlten sich bei jeder Kleinigkeit angegriffen. Tabus seien in der Kunst jedoch nicht akzeptabel, so Vilks: "Die Geschichte und Weiterentwicklung moderner Kunst beinhaltete von jeher Provokationen. Das reicht von Manet bis Martin Kippenberger."

Lars Vilks, ein Profi der Provokation und des Understatements. (Foto: AP/Djef)

Vilks' theoretische Auseinandersetzung mit den Grenzen von Kunst und Meinungsfreiheit muss bei seinen Mohammed-Zeichnungen immer mitgedacht werden. Die Reaktionen auf seine Zeichnungen sind Teil seiner Kunstprojekte. Genauso wie sein eigenes Auftreten. So legte sich Vilks beispielsweise mit den schwedischen Behörden an, als er 1996 in einem Naturschutzgebiet die Mikronation "Ladonien" ausrief und dort Skulpturen errichtete. Gerichtsprozesse folgten. "Vilks war schon immer als Clown der schwedischen Kunstszene bekannt", sagt Per Svensson von der schwedischen Gesellschaft der Publizisten.

Kein Interpretationsspielraum

Lars Hedegaard hingegen ist wütend und laut. Der weißbärtige Journalist und Historiker versprüht mit jeder Faser seines Körpers den Unmut über den Status quo in Dänemark. Das Unverständnis der dänischen Öffentlichkeit für seine radikale Kritik feuert ihn noch zusätzlich an. Immer wieder spricht Hedegaard von Krieg - vom Krieg des Islams gegen den Westen. Seine Position lässt keinen Platz für Interpretation: "Es gibt keinen moderaten Islam im eigentlichen Sinne, sondern nur Muslime, die sich nicht an alle Vorgaben des Korans halten." Diese würden dann aber von ihren Glaubensbrüdern dafür verfolgt werden. Verfolgt und ausgeliefert fühlt sich auch Hedegaard, insbesondere seit am 5. Februar 2013 ein Attentäter, der sich als Postbote ausgab, versuchte, ihn an seiner Haustür zu erschießen. Er wurde nie gefasst. Seither wird Hedegaard rund um die Uhr von seinen Bodyguards begleitet. Die Gefahr lauert theoretisch überall. "Es gibt Viertel in Kopenhagen, in denen ich mich nicht aufhalten kann, ohne attackiert zu werden", sagt Hedegaard.

"Zu sektiererisch"

Hedegaard, der sich selbst immer noch als Marxist versteht, war einst populär in der Mehrheitsbevölkerung und mit seiner Free Press Society, einem organisatorischen Sprachrohr für die Verteidiger der Meinungsfreiheit in Dänemark, gern gesehener Gast. Nach dem Streit um die Mohammed-Karikaturen des Dänen Kurt Westergaard im Jahr 2009 erst recht. "Diese Affäre änderte für die Dänen alles. Sie machte es erstmals möglich, gewisse Dinge auszusprechen. Es gab plötzlich viele Kritiker des Islams in Dänemark, deshalb ist es vielen am Anfang vielleicht nicht aufgefallen, dass Hedegaards Argumente sehr weit hergeholt sind", befindet Martin Krasnik, dänischer Journalist. Doch über die Jahre wandten sich die Kollegen ab. Helle Merete Brix, einst Mitbegründerin der Free Press Society und enge Bekannte von Hedegaard, zählte ebenfalls dazu: "Das Projekt wurde mir zu sektiererisch. Jede Kritik, die ausgesprochen wurde, ob nun gerechtfertigt oder ungerechtfertigt, wurde abgewürgt."

"In Österreich würde ich im Gefängnis sitzen"

Im Jahr 2009 stand Hedegaard wegen Volksverhetzung vor Gericht. In einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Interview hatte er unter anderem behauptet, dass islamische Mädchen von ihren Onkeln, Vätern und Cousins vergewaltigt würden. Das Gericht sprach ihn frei, da das Interview nicht an die Öffentlichkeit gebracht hätte werden dürfen. "In Österreich würde ich im Gefängnis sitzen", echauffiert sich Hedegaard über die Gesetzeslage hierzulande. Dass seine Bekannte Elisabeth Sabaditsch-Wolff wegen "der Wahrheit" zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, sei "nichts, worauf das Land stolz sein kann".

Lars Hedegaard ist wütend auf die Appeasement-Politik Dänemarks. (Foto: APA/EPA/Bagger)

Der Glaube ist alles

Für Hedegaard gilt weiterhin ausnahmslos, dass er glaubt, was er sagt. Das musste auch Martin Krasnik erkennen, der Hedegaard im März dieses Jahres während eines TV-Interviews in die Mangel nahm und anschließend einige Kritik dafür erntete. "Vor meinem Interview war er wohl nie mit direkter Kritik konfrontiert. Er ist von Leuten umgeben, die ihm nach dem Mund reden", rechtfertigt Krasnik seine harte Fragetechnik. Zwar sei die Hälfte, von dem, was er sage, richtig: "Das Problem ist aber, dass seine Ansätze immer in wilde Generalisierungen münden und in Verschwörungstheorien abgleiten", sagt Krasnik. Dazu zählt beispielsweise, dass Hedegaard dänische Politiker mit Nazikollaborateuren im Zweiten Weltkrieg vergleicht, Islamismus sogar als "sehr viel schlimmer" ansieht als Nazismus, da die Ideologie nicht militärisch bekämpft werden könne und schon Einzug in dänische Medien und Universitäten gehalten habe. "Ich kenne keine einzige Forderung von Muslimen in Dänemark, die bisher nicht erfüllt wurde", entgegnet er jenen, die seine Bewertungen entkräften wollen. 

Vilks und Hedegaard geben keine Anleitung, wie ein friedvolles Zusammenleben im 21. Jahrhundert aussehen kann. Schon ihr Weg dorthin unterscheidet sie. Der eine kämpft mit den Mitteln der Kunst, der andere zieht rhetorisch jeden Tag in den Krieg. Wer von beiden den Sieg davonträgt, ist noch nicht klar. (Teresa Eder, derStandard.at, 5.12.2013)