Lebensmittel aus dem Mistkübel: Wastecooking-Initiator David Gross beim "Dive" in einen Müllcontainer des Brunnenmarktes.

Foto: David

Wien – "Heute ist Ananas-Tag!", freut sich David. Zehn, 15 Früchte leuchten uns aus der Biotonne am Wiener Yppenplatz entgegen. Doch die von den Brunnenmarkt-Händlern weggeworfenen Früchte sind tatsächlich zu weich. Also macht David den "dive", klettert in die Tonne und taucht ein. Fischt zunächst leere Maisblätter raus. Dann Paradeiser. Und Frühlingszwiebel: "Das geht in die richtige Richtung."

Aber "jetzt gemma zum Supermarkt", beschließt die Gruppe. Wir sind zu acht im nächtlichen Ottakring unterwegs. Eine von fünf Gruppen, die einen ganzen Supermarkt füllen will – mit weggeworfenen Lebensmitteln.

Auswüche der Wegwerfgesellschaft

Der "wastecooking's free supermarket" wird dieses Wochenende im Rahmen des Kulturprojektes "Wienwoche" aufgesperrt und von der Salzburger konsumkritischen Kochshow "Wastecooking" betrieben. Hier kann sich jeder gratis bedienen – und absolut genießbare Lebensmittel mitnehmen, die Waste-Diver (Mülltaucher) nächtens aus den Mülltonnen fischen. Und sich über die Auswüchse unserer Wegwerfgesellschaft informieren.

Zur Sicherheit liegt im Supermarkt bereits eine Reserve bereit: eine Tonne Erdäpfel und 500 Kilo Karotten. Gemüse aus dem Marchfeld, das für den Abtransport in die Biogasanlage bestimmt war – einfach deshalb, weil es nicht der Norm entsprach. Als das Supermarkt-Team beim Bauern anfragte, meinte der nur: "Wie viel wollt ihr? Eine Tonne? Fünf Tonnen?"

Aber die Regale quellen auch so über. Bereits im ersten Müllraum eines Supermarktes werden wir fündig: Salate, Shrimpssalat (abgelaufen), Wurstsemmeln, Hartkäse – "den probier'n wir auf jeden Fall". Abgelaufener Brimsen – "riecht aber ganz frisch". Beim nächsten Supermarkt findet sich astreiner abgepackter Kürbis – im Restmüll. Trauben, zwei lebendige, zernepfte Rosmarinstauden. Und wieder – Ananas. Diesmal nehmen wir sie mit.

Im nächsten Müllraum stinkt es erbärmlich, aber das täuscht. "Jackpot!", jubelt David: Topfenstrudel, Toastbrot, Trauben, Karfiol, Pfirsiche, Zitronen, drei Blumenbüsche in Töpfen werden aus den Coloniakübeln gefischt.

Nicht alleine unterwegs

Und: Unsere Gruppen sind nicht alleine unterwegs. Als wir gegen 22 Uhr mit vollen Kisten und Säcken bepackt Richtung Supermarkt marschieren, sprechen uns drei junge Männer an: "Tschuldigung. Wart ihr schon beim Billa in der Ottakringer Straße?" – "Ja." – "Ah, gut, dann müssen wir dort nimmer hin." Und die Diver-Kollegen ziehen weiter.

Beim Supermarkt angekommen, wartet bereits das Hernalser Team, das frühzeitig abgebrochen hatte, weil sie mehr gefunden hatten, als sie schleppen konnten. Bei Durchsicht dieser Beute macht sich endgültig Fassungslosigkeit breit. Massenweise Cola, Eistee, Bier. Ein Zwei-Kilo-Sack Reis, der erst am 1. November abläuft. Aber 2014. Draußen wird bereits Gemüse gewaschen. Und Haltbarvollmilch im Tetrapak, die ebenfalls im Herbst 2014 abläuft.

Ein Drittel aller Lebensmittel vernichtet

Der Supermarkt hat in der Grundsteingasse 68 Freitag und Samstag 12-18 Uhr geöffnet, Sonntag 10-15 Uhr. Die Lebensmittel werden am Samstag ab 14 Uhr bei einer Wastecooking-Session zubereitet. Ab 19 Uhr gibt's gekochte kulinarische Kostproben. Und Sonntag ab 11 Uhr ein Waste-Brunch mit Expertengesprächen über "Supermarktfasten". Anmeldung erbeten.

Die Uno schätzt übrigens, dass mindestens ein Drittel der Lebensmittel weltweit vernichtet wird, bevor sie auch nur in die Nähe von Konsumenten kommen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 21./22.9.2013)