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Nach seiner Verurteilung veröffentlichte Chinas amtliche Agentur Xinhua ein Bild des Ex-Politstars Bo Xilai in Handschellen. Bo hatte im Prozess alle Vorwürfe - darunter Korruption - bestritten. 

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Richter Wang Xuguang verliest das Urteil.

Foto: AP Photo/Jinan Intermediate People's Court

Lebenslange Haft, so lautet das Urteil der Richter am Volksgericht von Jinan nach 40 Minuten Verkündung. Für Bo Xilai, einst einer der mächtigsten Funktionäre Chinas, ist es sein vorerst letzter Auftritt vor der Öffentlichkeit. Es ist das profane juristische Ende eines Machtkampfes, den der frühere Parteichef von Chongqing schon viel früher verloren hatte.

Der Prozess begann um zehn Uhr früh. Informationen nach außen kamen anfangs nur über Mikroblogs, die die Prozessschreiber ins Netz stellen. Die Richter wollten die Kontrolle behalten und rasch einen Schlussstrich unter den Politkrimi ziehen.

Im Publikum waren Verwandte Bos zugelassen, nicht aber sein jüngster Sohn und seine Frau Kukailai. Sie sitzt im Gefängnis, im Sommer zu lebenslanger Haft mit ausgesetzter Todesstrafe verurteilt, wegen Mordes am britischen Geschäftsmann Neil Heywood. Warum sie den Familienfreund am 15. November 2011 vergiftete, wurde nie aufgeklärt.

Die Gründe dafür kamen auch im Prozess gegen Bo nicht zur Sprache, als er wegen Korruption, Bestechlichkeit und Amtsmissbrauchs angeklagt wurde. Er habe die Verbrechen seiner Frau vertuschen lassen, hieß es lediglich. Bo stritt die Vorwürfe ab. Im Schlusswort seines Verfahrens im August rief er: "99 Prozent aller Anschuldigungen haben nichts mit mir oder meinem Fall zu tun."

Strafwert drei Millionen Euro

Das Gericht sah es am Sonntag anders. Der Richter verlas protokollartig die vom Gericht als bewiesen angesehenen Vorwürfe, bemüht, alles korrekt erscheinen zu lassen. Bo werden insgesamt Verbrechen in einem Strafwert von insgesamt 25 Millionen Yuan (drei Millionen Euro) zur Last gelegt. Nach geltender Rechtspraxis würde das für eine Todesstrafe ausreichen, doch hochrangigen Funktionären wird diese erspart - stattdessen gab es lebenslang.

Ein Schuldspruch war erwartet worden, nicht allerdings in dieser Härte. Chinas Parteiführung hatte Bo schon Monate zuvor verurteilt, um seinen Herauswurf aus dem Politbüro und der Partei zu rechtfertigen. Das Gericht billigte ihm keine Strafmilderung zu: Er habe sich nicht selbst gestellt und seine Verbrechen nicht bedauert.

Bo hat in der Tat weder um Milde gebettelt, noch Reue gezeigt: Er pochte immer wieder darauf, kein Verbrechen verübt zu haben. Er habe nur einen Fehler begangen, weil er seinen Polizeichef Wang Lijun maßregelte, als der ihm vom Mordverdacht gegen seine Frau berichtete. Damit habe er ihn dazu getrieben, ins US-Konsulat von Chengdu zu flüchten. Er bedaure, dem Ansehen Chinas im In- und Ausland geschadet zu haben. Vom Kauf einer Villa in Frankreich, vom Geld, mit dem Konzernchef Xu Ming Reisen seines Sohnes finanzierte, habe er nichts gewusst.

Fünf Tage verteidigte sich Bo, zivil angezogen und ohne Handschellen. Auf Kritik im Internet, warum er nicht wie alle anderen in orangefarbener Haftkleidung und in Handschellen vor Gericht stand, gab es die offizielle Antwort: Ein nicht verurteilter Angeklagter sei als unschuldig zu sehen und dürfe in Zivilkleidung vor seine Richter treten. Die meisten würden ihre Verbrechen aber einsehen und wollten nicht so tun, als seien sie unschuldig.

China folgte Prozess im Netz

Bo fiel aus der Rolle, und die Nation verfolgte alles online. Ein Großteil der stenografierten Mitschriften aus den Verhandlungen wurde, wenn auch zeitverzögert und zensiert, auf der Weibo-Webseite des Gerichts als fortlaufende Mikroblogs veröffentlicht. Bis zu 5,7 Millionen Mal am Tag klickten Besucher das Protokoll an.

Es war dennoch ein Schauprozess: Fragen nach den politischen Hintergründen des Sturzes von Bo, der kurz vor dem Generationenwechsel der Partei als Anwärter auf einen Platz in Chinas Führung galt, waren tabu.

Seit dem Tod Maos und der Kodifizierung des ersten Strafgesetzes der Volksrepublik 1979 ist Bo der siebente Funktionär aus den Rängen des Politbüros, der vor Gericht gestellt wurde. 1980 wurden als Erste die linksradikalen Funktionäre der "Viererbande" um Mao-Witwe Jiang Qing für Verbrechen in der Kulturrevolution zu lebenslanger Haft unter angedrohter Todesstrafe verurteilt. Bei solchen Prozessen stehen die Urteile von vornherein fest. Dafür sorgen Parteiankläger aus der sogenannten ZK-Kommission zur Disziplinkontrolle, die über der Justiz stehen. Sie können auf Anweisung des Ständigen Ausschusses des Politbüros Funktionäre festnehmen und verhören. Wenn sie mit ihnen fertig sind, überstellen sie sie den Gerichten zur Aburteilung.

Bo widerrief im Prozess ein handschriftliches Geständnis und stritt alle Vorwürfe ab. Er werde zu Unrecht verurteilt, schrieb er zehn Tage vor der Urteilsverkündung aus der Haft auch seinen Verwandten. "Ich werde ruhig im Gefängnis abwarten. Der Tag wird kommen, an dem mein Name reingewaschen wird."

Bo erinnerte daran, dass sein 2007 verstorbener Vater Bo Yibo, ein Mitkämpfer Maos der ersten Stunde, unter der Kuomintang und Jahrzehnte später auch unter Mao in der Kulturrevolution in Haft kam und wieder rehabilitiert wurde. "Vater war in seinem Leben oft im Gefängnis. Ich nehme ihn mir zu Vorbild." Offenbar glaubt der 64-Jährige, dass er noch eine Zukunft hat. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 23.9.2013)