Es ist ein hochsymbolisches Urteil und ein versuchter Befreiungsschlag der Führung in Peking: Bo Xilai, einer der vornehmsten "Prinzlinge" Chinas, der bis vor nicht allzu langer Zeit als Fixbesetzung für den Ständigen Ausschuss des Politbüros galt, muss wegen Bestechlichkeit lebenslang hinter Gitter. Das Signal des Schauprozesses an die Chinesen: Niemand ist mehr unantastbar, es wird hart und öffentlich gegen die endemische Korruption vorgegangen. Es werden Exempel statuiert.

Die Sache mit Exempeln aber ist, dass sie nur vereinzelt vorkommen. Bo wäre niemals vor dem Richter gelandet, wären bei seinem Polizeichef und Kettenhund in Chongqing, Wang Lijun, nicht alle Sicherungen durchgebrannt und hätte er einfach geschwiegen, statt sich in ein US-Konsulat zu flüchten. Denn diskrete Bereicherung der Bonzen ist tolerierte Praxis in der Volksrepublik. Nur wenn etwas zu offensichtlich wird, dann schreitet die Staatsmacht ein. Der Zorn des Volkes, das sich zunehmend in den Mikroblogs von Sina Weibo zu verständigen und organisieren vermag, soll nicht überkochen.

Die Ironie an dieser Geschichte ist, dass ausgerechnet der charismatische Bo als einer galt, der einen guten Draht zum Volk hatte. Er ist nun weg, als Feigenblatt für ein Regime, das mit jedem dieser Urteile mehr darauf aufmerksam macht, wie sehr es sich vor dem Zorn des Volkes fürchtet und um seinen eigenen Fortbestand. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 23.9.2013)