Krems - Im Prozess um die angebliche Misshandlung eines ehemaligen Zöglings in der "Kinderwelt Stiefern" (Bezirk Krems-Land) hat sich der Angeklagte am Montag, dem ersten Verhandlungstag, nicht schuldig bekannt. Das private Erziehungsheim umfasst mehrere Häuser, in dem bis zu 70 Kinder und Jugendliche untergebracht sind, die vom Wiener Jugendamt (MA 11) und dem Land Niederösterreich zugewiesen werden. Hubert Sacha, der Verteidiger des Angeklagten, ortete im Landesgericht Krems eine Hetzkampagne. Sein Mandant - ein Arzt, der als Eigentümer der Liegenschaft als alleiniger Gesellschafter der "Kinderwelt Stiefern" ausgewiesen ist - solle diskreditiert werden, so der Anwalt.

Der Angeklagte sei ein vielbeschäftigter und verdienstvoller Mediziner und nur daran interessiert, "zu helfen und zu heilen", betonte Sacha: "Die Geschichte ist hinten und vorne unwahr. Sie ist erfunden."

Schwere Vorwürfe

Der Arzt hatte nach dem Tod seiner Eltern, die das Heim geleitet hatten, die "Kinderwelt Stiefern" übernommen. Er soll laut Anklage im Frühjahr 2008 einen minderjährigen Zögling schwer misshandelt haben, nachdem es Erziehern nicht gelungen war, den Burschen zu bändigen. Er soll ihm einen Spazierstock mit einer Spitze aus Metall auf den rechten Fuß gestellt und den Stock mit seinem ganzen Körpergewicht in den Fuß des nur mit Socken bekleideten Buben gerammt haben. Dieser erlitt dabei dem Strafantrag zufolge eine blutende Rissquetschwunde.

Anschließend soll der Mann den Zögling am Genick gepackt, Richtung Badezimmer geschleift und in der halb vollgefüllten Badewanne 15 bis 20 Sekunden unter Wasser gedrückt haben, so dass der Bursch "befürchten musste, von ihm ertränkt zu werden", wie es im Strafantrag wörtlich heißt.

Belastende Zeugenaussage

"Man nennt das Drowning. Das ist neben Waterboarding eine beliebte Foltermethode", führte dazu die Wiener Rechtsanwältin Eva Plaz aus, die als Privatbeteiligten-Vertreterin die Interessen des mittlerweile 18-jährigen Burschen vertritt. Dieser, damals noch ein Kind, habe Todesangst gehabt. Der Vorfall, der sich im Sommer 2007 zugetragen haben soll, weise ein enormes Machtgefälle auf, so Anwältin Plaz: "Hier ein großer, starker mächtiger Mann aus dem Zentrum der Gesellschaft, dort ein damals zwölfjähriges Kind am Rande der Gesellschaft."

Er sei mit dem Buben nie zusammengetroffen, es habe niemals einen persönlichen Kontakt gegeben, sagte der Angeklagte in seiner Einvernahme. Eine ehemalige Erzieherin stützt allerdings aus eigener Wahrnehmung die Angaben des nunmehr 18-Jährigen. Sie erinnerte sich bei ihrer Befragung durch die Polizei an Blutergüsse am Kopf des Jugendlichen, nachdem er von ihrem Chef traktiert worden sei. Als dieser mit dem Burschen im Badezimmer verschwand, habe sie das Kind verzweifelt "Hör auf, hör auf!" schreien gehört. Als die Tür wieder aufging, sei der Zwölfjährige bis zu den Schultern durchnässt gewesen.

Die belastende Zeugenaussage basiere auf Neid uns Hass, weil die Erzieherin gekündigt worden sei, behauptete der Angeklagte. Die Anschuldigungen des Burschen erklärte der Arzt folgendermaßen: "Ich glaube schon, dass da Projektionen eine Rolle spielen."

Vorwürfe reichen bis in die 1970er Jahre

Der Fall war ins Rollen gekommen, als vor drei Jahren die Vorgänge im Wiener Kinderheim Wilhelminenberg und in anderen Institutionen publik wurden und unter in der Öffentlichkeit breite Aufmerksamkeit erfuhren. Der betroffene Jugendliche, der damals in einer betreuten Wohngemeinschaft in Wien lebte, wandte sich daraufhin an seinen Sozialarbeiter und berichtete diesem von seinen Erlebnissen in Stiefern.

In weiterer Folge hatten sich auch mehrere längst erwachsene ehemalige Heimkinder an die Justiz gewandt und erklärt, der Angeklagte, aber auch andere Personen, hätten sie bereits Ende der 1970er- und in den 1980er-Jahren in Stiefern körperlich misshandelt. Der Angeklagte, der selbst auf dem Gelände aufgewachsen war, soll demnach schon als junger Erwachsener jüngere und ihm körperlich unterlegene Zöglinge auf sadistische Weise gequält haben, indem er sie beispielsweise zwang, in den Hühnerstall zu kriechen und Eier einzusammeln, während er mit einem Schrotgewehr auf die Hühner schoss.

Diese Vorfälle wären jedoch mittlerweile verjährt und damit keiner gerichtlichen Aufarbeitung mehr zugänglich. (APA, 23.9.2013)