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Weil Julia Kührer Sex für Drogen verweigerte, sei sie von Michael K. erwürgt worden, sagt der Ankläger.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Korneuburg - Der Angeklagte im Fall Julia Kührer wurde am Dienstagabend zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Geschworenen entschieden in der Frage des Mordes mit 7:1 Stimmen für schuldig, in der Frage der Suchtmittelweitergabe mit 8:0 Stimmen. Dem Urteil mit der Höchststrafe ging ein langer letzter Verhandlungstag im Indizienprozess voraus.

Die Frage lautete: Ist "Mister Pit Bull", wie der Angeklagte Michael K. in einem PR-Artikel über seine Kampfsportvergangenheit genannt wird, ein Mörder oder nicht? Zweieinhalb Stunden dauerte der Showdown zwischen Staatsanwalt Christian Pawle und Verteidiger Farid Rifaat am Landesgericht Korneuburg. Zweieinhalb Stunden, in denen sie die Geschworenen im Prozess um den Tod von Julia Kührer von ihrer Version überzeugen wollen.

Der letzte Verhandlungstag beginnt mit einem Gutachten: Sachverständige Katja Sterflinger referiert über Pilze, die auf einem Hocker wuchsen, der in dem Erdkeller auf dem Grundstück des Angeklagten sichergestellt wurde, jenem Erdkeller, in dem im Juni 2011 die skelettierte Leiche Julia Kührers entdeckt worden ist. Ihr Resümee - die Sporen müssen sich mindestens vor vier Jahren und sieben Monaten dort angesiedelt haben. Wirklich erhellend ist das nicht: Wegen der Schwankungsbreite kommt der Zeitraum zwischen Juni (als Kührer verschwand) und Oktober infrage.

Rege interessierter Hund

Auch ein Hundeführer der Polizei kann nichts mehr Substanzielles zur Wahrheitsfindung beitragen. Ein Leichenspürhund zeigte zwar im Keller des Hauses in Pulkau (Bezirk Hollabrunn), in dem sich K.s Videothek befunden hatte, "reges Interesse", angeschlagen hat er aber nicht. Blutspuren wurden bei einer näheren Untersuchung der Stelle nicht gefunden.

Also kommt es darauf an, wer den Laienrichtern die wahrscheinlichere Variante erzählen kann. Ankläger Pawle versucht das zunächst mittels einer Powerpoint-Präsentation, bei der er das Haus von K. zeigt, um zu demonstrieren, dass man den Erdkeller nur über die Hofeinfahrt erreichen konnte. Zusätzlich seien Hunde dort gewesen. Also habe nur der 51-Jährige Gelegenheit gehabt, Kührers Leiche hinzubringen.

Pawle bietet auch eine lebhafte Schilderung der Ereignisse am 27. Juni 2006. Die damals 16-Jährige sei auf dem Hauptplatz von Pulkau aus dem Bus gestiegen, 200 Meter weit gegangen, um beim Angeklagten Crystal Meth zu kaufe. In dem Geschäftslokal hätte K. Sex für die Drogen gefordert, als sie sich weigerte, schlug er ihr erst mit der Faust einen Zahn aus und erwürgte sie schließlich. Die Leiche versteckte er im Keller, ehe er sie auf sein Grundstück brachte, verbrannte und verscharrte. Auf einer Decke, in die die Leiche gehüllt war, seien zudem seine DNA-Spuren gesichert worden.

Schlüssel ja, Alibi nein

Rifaat kontert, indem er Indizien und Zeugenaussagen in Zweifel zieht. So stringent die Version des Staatsanwaltes ist - der Verteidiger hat durchaus gute Argumente. Keiner habe den Teenager in der Nähe der Videothek gesehen, argumentiert er. Wie sie zu Tode gekommen ist, stehe in den Sternen, schließlich konnte Gerichtsmediziner Wolfgang Denk keine Todesursache feststellen.

Dass der Angeklagte Crystal Meth verkauft habe, beruhe auf der Aussage einer einzigen Zeugin - die im Verfahren einen zwiespältigen und eher unglaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Die DNA-Spur auf der Decke könne irgendwie übertragen worden sein. Und überhaupt befanden sich auch genetische Spuren einer unbekannten Person darauf.

Schließlich lenkt Rifaat die Aufmerksamkeit der Geschworenen auch noch auf mögliche andere Täter. Er beschuldigt niemanden direkt, stellt aber Theorien in den Raum. Thomas S., der Exfreund Kührers, habe möglicherweise einen Schlüssel für die Hofeinfahrt gehabt - ein Alibi zur Tatzeit hingegen nicht. Eine denkbare Variante sei daher, dass Kührer mit anderen auf dem Hof war, um Drogen zu konsumieren, plötzlich gestorben ist und der wahre "Täter" in Panik die Leiche am nächstgelegenen brauchbaren Ort - dem Erdkeller - versteckt hat.

Denn K. bekam im Jahr 2010 angekündigten Besuch der Polizei - die den Keller sah, aber nicht durchsuchte. "Glauben Sie mir, ich war es nicht. Und Sie können sich sicher sein, dass ich mich anders verhalten hätte, wenn ich gewusst hätte, dass eine Leiche in meinem Keller liegt", appellierte K. in seinem Schlusswort. (Michael Möseneder, derStandard.at, 24.9.2013)