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Eine der neuen Erkenntnisse der Klimaforscher ist ein Rückgang der Erwärmungsrate in den vergangenen 15 Jahren. Das bedeutet aber keine Entwarnung.

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Georg Kaser ist der einzige österreichische Forscher bei den Verhandlungen.

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Frage: Was passierte in den vergangenen vier Tagen bei den Verhandlungen um den neuen Bericht des Weltklimarats IPCC in Stockholm?

Antwort: In den vergangenen sechs Jahren haben hunderte Forscher den Klimawandel genauer untersucht als jemals zuvor in der Geschichte und auf rund 1500 Seiten ausgearbeitet, wie sich Temperaturen, Ozeane und Gletscher auf der Welt verändern könnten und wie der Mensch den Klimawandel beeinflusst. In den letzten Tagen ging es darum, eine 30-seitige Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse für die politischen Entscheidungsträger zu erarbeiten.

Frage: Was sind die Hauptunterschiede zu den früheren Berichten des IPCC, die seit 1990 alle fünf bis sechs Jahre veröffentlicht werden?

Antwort: Im Wesentlichen haben sich die Daten und Prognosen der früheren Berichte bestätigt. Ein großer Unterschied liegt in der sehr viel größeren wissenschaftlichen Gewissheit etwa darüber, dass mehr als die Hälfte der globalen Erderwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Menschen zurückgeht. 2007 betrug die Sicherheit 90 Prozent, mittlerweile sind es 95 Prozent. Nur eines von vier Szenarien zur Erderwärmung bis zum Jahr 2100 geht davon aus, dass die Erderwärmung bis dahin unterhalb der entscheidenden Zwei-Grad-Marke bleiben wird. Der Großteil der Klimaforscher hält einen Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad für kaum beherrschbar.

Frage: Gibt es neue Erkenntnisse zu den Auswirkungen der vom Menschen emittierten Treibhausgase?

Antwort: Die Forscher haben ihre bisherigen Schätzungen zur Klimasensitivität von Kohlendioxid (also die Auswirkung einer Verdoppelung des Kohlendioxid-Ausstoßes auf die Erderwärmung) leicht zurückgenommen. 2007 ging man noch davon aus, dass diese noch bei mindestens zwei Grad Celsius liegt. Die höchstwahrscheinliche Untergrenze sieht man jetzt bei nur noch einem Grad.

Frage: Ein anderes neues Forschungsergebnis ist eine Verlangsamung des Klimawandels. Welche genauen Daten liegen dafür vor?

Antwort: In einer durchgesickerten Vorabversion ist davon die Rede, dass die Erwärmungsrate in den vergangenen 15 Jahren (1998 bis 2012) bei 0,05 Grad pro Jahrzehnt lag - und damit unter dem Trend von 1951 bis 2012 mit einem Anstieg von 0,12 Grad. Nichtsdestotrotz war das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts das wärmste seit etlichen Jahrhunderten.

Frage: Ändert sich dadurch die Dramatik?

Antwort: Nicht wirklich. "Die Pause im Anstieg der mittleren globalen Temperatur als eine Komponente im Klimasystem ist nicht so sehr in Diskussion, da ja die Energieaufnahme des Gesamtsystems weitergeht", erklärt der international renommierte Gletscherforscher Geog Kaser (Universität Innsbruck), der als einziger österreichischer Wissenschafter bei den Verhandlungen in Stockholm mit dabei ist.

Frage: Wie ist die Diskussionsrunde in Stockholm zusammengesetzt, und gibt es noch weitere Österreicher?

Antwort: Sie besteht zum einen aus einer Delegation von rund 50 Wissenschaftern, die aus den 259 Hauptautoren des 1500-seitigen Berichts ausgewählt wurden. Auf der anderen Seite vertreten meist beamtete Experten als Delegierte rund 120 von 195 Regierungen. Einige Organisationen haben Beobachterstatus, nehmen aber nicht an den Diskussionen teilt. Auf politischer Ebene besteht die österreichische Delegation aus Klaus Radunsky (Umweltbundesamt) und Manfred Ogris (Lebensministerium), die laut Kaser eine sehr konstruktive Rolle in den Diskussionen spielen.

Frage: Wie gut kamen die Forscher und die Regierungsvertreter voran?

Antwort: "Zäh und sehr langsam mit vielen detaillierten Diskussionen um Wortwahl und Formulierungen", berichtet Georg Kaser nach mehr als drei Tagen Verhandlungen. Am Mittwoch etwa dauerten die Verhandlungen mit kurzen Unterbrechungen von 8.00 bis 2.30 Uhr in der Nacht. "Manche Länder wollen weichere Formulierungen, als wir Wissenschafter vorschlagen. An den Zahlen und Ergebnissen selbst wird nicht gerüttelt."

Frage: Rajenda Pachauri kündigte am Rande der Verhandlungen in Stockholm seinen Abschied vom Vorsitz des IPCC an. Was steckt da dahinter?

Antwort: "Es ist kein aktiver Abschied im Sinne seiner persönlichen Entscheidung", erklärt Kaser. Mit anderen Worten: Sein Mandat läuft nach zwei Perioden 2015 einfach aus, und er darf satzungsgemäß nicht noch einmal kandidieren.

Frage: Was passiert mit dem 30-seitigen Endbericht, der ab Freitag vorliegt?

Antwort: Die Berichte des Weltklimarates sind eine wichtige wissenschaftliche Basis für die politischen Klimaverhandlungen und somit auch für die nächste UN-Klimakonferenz, die im November in Warschau stattfinden wird. Die Veröffentlichung von Teil zwei und drei des aktuellen Weltklimaberichts ist für März und April 2014 geplant. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 27.9.2013)