Merkwürdiges Entenhausen! Seine Bewohner sind immer gleich alt, und es gibt keine direkte Abstammung, keine Söhne und Töchter - dazu fehlen den Bewohnern die entsprechenden Werkzeuge -, immerhin aber Onkel, Tanten, Neffen und Geschwister.

So hat auch Fantastillionär Dagobert Duck eine Schwester, Dorette. Vor genau 70 Jahren kam sie in einem Disney-Comic auf die Welt. Bereits als Oma. Seither bewirtschaftet sie einen kleinen Bauernhof unweit der Stadt, rüstig und stets guter Laune, ein ruhender Gegenpol zu ihrem raffgierigen protokapitalistischen Bruder und zu ihrem ewig strebenden neurotischen Neffen Donald.

Man weiß nicht viel über ihre Vergangenheit. Einen Verehrer hatte sie einmal, einen gewissen Adolar. Als Gedankenblase steigt die Erinnerung in ihr auf, da sieht man auch sie, ein fesches Mädl, damals schon mit Brille, die ihr gut stand. Doch das sind vage Reminiszenzen, die ihr Bäuerinnendasein nicht trüben. Sie hat einen Alltag zu bewältigen auf ihrem Hof, der schon öko war, bevor es das Wort gab.

Allein kümmert sie sich um Kühe, Pferde und Hühner, um Feld und Wiese. Muss sie einmal, selten genug, in die Stadt, nimmt sie ihr uraltes Elektromobil. So rasant kurvt sie damit über Berg und Tal und bis zehn Zentimeter vor den Bahnschranken, dass dem Prüfer schlecht wird und er ihr die Zulassung für alle Ewigkeit unterschreibt.

Knecht Franz Gans ist ihr keine Hilfe auf dem Hof, er faulenzt lieber im Schatten. Auch das trägt sie mit Fassung. Eher stört es Daniel Düsentrieb. Kaum als Gast angekommen, macht er sich daran, den Hof gründlich zu mechanisieren. Dorette sieht die Folgen - "Da haben wir hier ja nur eine Fabrik und keinen Bauernhof mehr!" - und reagiert mit einer viel patenteren Erfindung: Sie bindet Daniel am Stuhl fest, auf dass Ruhe ist.

Nun muss man wissen, dass sie ja doch Eltern hat: Da war einerseits der begnadete "good duck artist" Carl Barks, der sie als verklärte Erinnerung an die kleinteilige Landwirtschaft des Mittelwestens inszeniert hat. Und da war, zumindest für uns Leser im Deutschsprachigen, die Frau Doktor Erika Fuchs, die ihr die liebenswürdig altmodische Ausdrucksweise maßgeschneidert hat. "Meiner Seel!" und "Meiner Treu!" sind nur kleine Andeutungen aus diesem Universum.

Die Eltern sind fast 100 Jahre alt geworden. Oma Duck und ihre ganze Verwandtschaft werden sie überleben, für alle Ewigkeit. (Michael Freund, DER STANDARD, 27.9.2013)