Humorblick auf Wagner und den Kritiker Daniel Spitzer. 

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Wien - Im ersten Stock des Jüdischen Museums, wo die Richard-Wagner-Ausstellung Euphorie und Unbehagen sich in schummriger Lichtatmosphäre entfaltet, wird auf Wänden eines schmalen Gangs die ganze Meinungsvielfalt zu dem visionären Komponisten, aber auch Verfasser des üblen Machwerks Das Judenthum in der Musik gebündelt:

Worte Daniel Barenboims ("Musik ist nicht ideologisch"), der sich als Dirigent immer wieder deutlich darum bemühte, die Musik des Bayreuthers auch in Israel wieder aufführbar zu machen (wo sie verboten ist), prallen da auf gegenteilige Positionen - etwa jene von Gottfried Wagner, seines Zeichens Urenkel von Richard.

Und der Nachfahre ist streng: "Der Weg von Richard Wagner über Cosima Wagner und Houston Steward Chemberlain führte zu Hitler ... Das wagnerische Gedankengut in Bayreuth hat zu Hitlers Rassenwahn und allen damit verbundenen Folgen beigetragen."

Nicht unweit davon allerdings auch die Ausblendung signalisierenden Worte von Literat Max Brod: "Wagner blieb mir eine Meisterpersönlichkeit des allerersten Ranges. Seine antisemitischen Schriften las ich nicht und habe sie bis heute nicht gelesen, um mir diesen reinen Eindruck einer beispiellosen Kunstoffenbarung nicht zu beflecken."

Briefe an die Putzmacherin

Die Ausstellung allerdings, anlässlich des 200. Geburtstags von Richard Wagner ein wichtiger Diskussionsbeitrag, konzentriert sich vielgestaltig vor allem auf Wien: Exponate (Fotos, Briefe, Bücher, Gemälde) erinnern an Wagner-Skeptiker - etwa den Kritiker Eduard Hanslick oder den Feuilletonisten Daniel Spitzer, der etwa Briefe Wagners an eine Putzmacherin herausgab.

Man sieht Dokumente über jüdische Wagner-Interpreten und wird auch an die Tatsache erinnert, dass besonders in Wien, aus dem Wagner einmal vor seinen Gläubigern fliehen musste, sehr viele jüdische Bürger für das Werk des im Musiktheaterbereich Revolutionären emphatisch Partei ergriffen.

In diesem Zusammenhang ist denn auch von Theodor Herzl die Rede. Paradoxerweise wurde der Schriftsteller und Journalist just durch eine Pariser Tannhäuser-Aufführung zu seinen Ideen bezüglich eines jüdischen Staates und dem Buch Der Judenstaat angeregt.

Zu erleben ist aber auch erhellendes filmisches Material: Da sieht man Ausschnitte aus Hans Jürgen Syberbergs Streifen Winifred Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried - einem grandiosen Dokument der Unbelehrbarkeit der Bayreuther-Herrscherin und Schwiegertochter Richard Wagners.

Auch Ausschnitte aus Filmen wie Star Wars oder Herr der Ringe sind im Übrigen zu erleben - als Belege dafür, wie stark Wagners romantischer Stil Teile der Populärkultur beeinflusst hat.    (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 28./29.9.2013)