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"Alt werden will ich nur in Wien, das ist meine Heimat. Davor möchte ich in England spielen."

Foto: APA/Jäger

Standard: Waren Sie schon einmal in Brasilien?

Dragovic: Nein, noch nie.

Standard: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie im Sommer 2014 dort sind?

Dragovic: Wir haben am 11. Oktober in Schweden ein Entscheidungsspiel. Das wird extrem schwierig, wir werden uns zerreißen. Schauen wir, wie die Partie nach 90 Minuten endet. Geht sie gut aus, müssen wir auch noch Färöer und das Playoff überstehen.

Standard: Wäre eine WM-Teilnahme eine Sensation?

Dragovic: Nein. Wir haben bewiesen, dass wir uns vor niemandem verstecken müssen. Höchstens vor Deutschland. Wir haben daheim Schweden und Irland besiegt. Jeder, der gegen uns antritt, weiß, dass es nicht leicht wird. Österreich hat sich Respekt erarbeitet.

Standard: Es hat relativ lange gedauert, bis Sie einen Platz in der Innenverteidigung ergattert haben. Marcel Koller setzte auf Emanuel Pogatetz und Sebastian Prödl. Wie konnten Sie den Teamchef überzeugen?

Dragovic: Ich habe mir nie große Gedanken gemacht. Sicherlich war ich am Anfang enttäuscht. Wie jeder, der nicht aufgestellt wird. Ich habe einfach im Verein gute Leistungen gebracht und beim Nationalteam versucht, in jedem Training zu überzeugen. Das dürfte mir gelungen sein. Aber es geht nicht um mich. Wir sind eine Mannschaft und wollen gemeinsam das Projekt Brasilien realisieren.

Standard: Sie sind sehr gut mit Marko Arnautovic befreundet. Er spaltet die Öffentlichkeit. Beschreiben Sie ihn. Wie ist er wirklich?

Dragovic: Er ist ein Supertyp, man kann mit ihm Spaß haben. Er versucht immer zu helfen. Übers Fußballerische braucht man gar nicht reden, Marko kann den Unterschied ausmachen. Es war der richtige Schritt, nach England zu wechseln. Sicherlich hat er in der Vergangenheit ein, zwei oder drei Fehler gemacht, den Journalisten Stoff geliefert. Wie auch ich. Ich hätte bei der Meisterfeier in Basel dem Bundesrat Ueli Maurer niemals auf den Kopf greifen dürfen. Aber man lernt, kein Mensch ist perfekt. Man muss nur aufpassen, dass man den gleichen Fehler nicht zweimal macht. Dann wäre man nämlich dumm.

Standard: Ein anderer sehr guter Freund ist David Alaba. Er ist das Gegenteil von Arnautovic, wird von allen geliebt. Was zeichnet Alaba aus?

Dragovic: David spielt bei Bayern München, dem besten Klub der Welt. Er hebt nicht ab, bleibt immer am Boden, ist total bescheiden. Das liegt auch an seiner Familie. Er ist ein absolutes Vorbild.

Standard: Ihr Wechsel zu Dynamo Kiew kam doch ein wenig überraschend. Eine Woche davor hatten Sie noch erklärt, Geld spiele in dieser Phase der Karriere keine Rolle, es gehe um die Entwicklung. Und dann haben Sie einen Fünfjahresvertrag unterzeichnet. Sie hätten auch sagen können, Kiew hat mich mit Geld zugeschüttet. Es ist ja keine Schande, gut zu verdienen.

Dragovic: Ich habe das erste Angebot abgelehnt. Mich hat beeindruckt, dass sie nicht lockergelassen haben. Sie machten mir klar, dass sie mich unbedingt wollen. Natürlich verdiene ich gut. Es ist ein nächster Schritt in meinem Leben. Ein anderes Land, eine andere Kultur, ein anderer Fußball.

Standard: Trotzdem. Sie wären in zwei Jahren ablösefrei gewesen. Mit Basel hätten Sie in der Champions League unlängst in London gegen Chelsea 2:1 gewonnen. Mit Kiew dürfen Sie am Donnerstag in der Europa League in Wien gegen Rapid antreten. Ist das nicht doch ein Rückschritt?

Dragovic: Rückschritt ist das völlig falsche Wort. Ich hatte schöne Zeiten in Basel, war dreimal Meister, wurde als bester Verteidiger ausgezeichnet. Mehr ging nicht. Jetzt bin ich in Kiew und freue mich sehr auf Rapid. Für uns ist es ein Schicksalsspiel, weil wir gegen Genk 0:1 verloren haben.

Standard: Die ukrainische Liga zählt nicht zu den populärsten Ligen. Besteht nicht die Gefahr, dass man zu weit weg vom Schuss ist?

Dragovic: Nein. Ich bleibe im Blickfeld. Dynamo ist ein Riesenklub. Ich bin stolz, dieses Trikot tragen zu dürfen. Andrej Schew-tschenko hat einst auch von der Ukraine aus alles erreicht.

Standard: Sie sind der bisher teuerste österreichische Fußballer. Denkt man in stillen Momenten, das ist verrückt, da legt einer tatsächlich neun Millionen Ablöse für mich hin?

Dragovic: Gareth Bale wurde von Real Madrid um 99 Millionen gekauft, insofern ist das alles wieder relativiert. Ich denke daran überhaupt nicht. Ablösesummen entscheiden keine Spiele.

Standard: Ihr Trainer Oleg Blochin ist eine Kultfigur. Ist er so mürrisch, wie er dreinschaut?

Dragovic: Nein. Er ist eine Legende. Ich bin froh, unter ihm trainieren zu dürfen.

Standard: Kann man sich in Kiew wohlfühlen?

Dragovic: Kiew ist eine Topstadt. Alt werden will ich in Kiew nicht. Hier mache ich meinen Job, das ist mein Büro. Alt werden will ich nur in Wien, dorthin kehre ich zurück, das ist meine Heimat. Davor möchte ich noch in England Fußball spielen, davon träume ich. Mein Motto lautet: Never give up.

Standard: Sie sind Wiener serbischer Abstammung. Waren Sie mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert?

Dragovic: Zum Glück nie.

Standard: Wie stellen Sie sich Brasilien vor?

Dragovic: Copacabana, tanzen. Jeder lächelt, jeder Mensch ist gut drauf. Da könnten wir uns in Österreich etwas abschauen. Wir schauen viel zu ernst drein. Ich weiß eigentlich nicht, warum. (Christian Hackl, DER STANDARD, 28./29.09.2013)