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Wäre Rupert Wolff Richter, und die heimische Regierung säße auf der Anklagebank, gäbe es einen Schuldspruch wegen "schleichender Demontage des Rechtsstaats". Doch Rupert Wolff ist Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK) und gibt der Politik dieses Landes noch eine Chance. Zwei Tage vor der Nationalratswahl forderte er am Freitag beim diesjährigen Anwaltstag in Klagenfurt den Rückbau staatlicher Eingriffe in die Grundrechte.

Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung brächten nicht einen Hauch mehr an Sicherheit. Der Standesvertreter von 5756 Rechtsanwälten sprach sich für eine unabhängige Expertenkommission aus, die die jüngsten Verschärfungen im Bereich Überwachung und Terrorismusbekämpfung evaluieren und ändern solle.

Der Politik will Wolff außerdem "großen Reformbedarf im Strafverfahren" ins Stammbuch schreiben. Er fordert unter anderem eine Ausweitung von Beschuldigtenrechten. Hier geht es ihm vor allem um die Zulassung von Privatgutachten quasi als Waffengleichheit zu gerichtlichen Gutachten. Außerdem tritt Wolff für die "sachgerechte Anhebung der Pauschalentschädigungen" ein. Hintergrund: Den vom Mafia-Vorwurf freigesprochenen Tierschützern entstanden über die Jahre Anwaltskosten von rund 5,2 Millionen Euro. Wolff direkt an Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP): "Bleiben Sie nicht untätig, wenn der Staat Menschen Unrecht tut."

Reform auf EU-Ebene

Karl, auch heuer wieder Stargast bei der Tagung der Rechtsanwälte, gab sich diplomatisch: "Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Aufklärungs- und Überwachungsmethoden ist sehr zu begrüßen und höchst an der Zeit", erklärte sie unter Verweis auf die NSA-Affäre. Erneut sprach sie sich für die Bündelung der Datenschutzkompetenzen im Justizressort, die völkerrechtliche Verankerung des Schutzes der Privatsphäre im Internet und eine rasche Datenschutzreform auf EU-Ebene aus.

Aus Karls Sicht besteht auch im Sachwalter-, Erb-, Miet- und Urheberrecht Handlungsbedarf. Künftig soll beispielsweise nicht mehr die sofortige Bestellung eines Sachwalters im Vordergrund stehen. Vielmehr sollen Betroffene möglichst lange selbstbestimmte Entscheidungen treffen können. Wolff will dabei auch die Kollegenschaft in die Pflicht nehmen. Es sollten nur Rechtsvertreter herangezogen werden, die Sachwalterschaften mit Personenfürsorge übernehmen.

Gebühren

Auch mit vielen Gebühren will der Präsident der Anwälte Schluss machen. "Ist es noch gerechtfertigt, von Adoptiveltern ein Prozent ihres Vermögens anlässlich der Adoption einzuheben?", fragte Wolff und antwortete gleich selbst: "Die Administration kakanischer Gebühren kostet mehr, als die Gebühren selbst erbringen."

Erstmals legten die Rechtsanwälte einen Tätigkeitsbericht vor: Von September 2012 bis August 2013 wurden 226 Gesetzesentwürfe begutachtet, 39.000 Bürger wurden im Vorjahr unentgeltlich betreut. Die meisten Anwälte sind auf Immobilien und Schadenersatz spezialisiert, die wenigsten, nämlich nur drei, auf Wehrrecht. (Michael Simoner, DER STANDARD, 28.9.2013)