Für Werner Hoffmann, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, ist die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedigungen für einen funktionierenden Kapitalmarkt in Österreich zu gestalten. Hier sieht Hoffmann einige Versäumnisse und hat auch ein paar Ideen, wie man den Börsenplatz stärken könnte. Zum Beispiel mit Privatisierungen.
derStandard.at: Die Anlegerkultur in Österreich ist von etlichen Skandale geprägt, der private Anleger scheut die Börse, weil einiges Schindluder getrieben wurde. Wie sehr schadet das dem Börsenplatz Wien?
Hoffmann: Das hat in den vergangenen Jahren sicher zu einem massiven Rückschlag geführt. Die Skandale müssen aufgearbeitet werden. Dann bleibt die Frage, gibt es wieder ein attraktives Angebot und eine Verdienstmöglichkeit? Die alternativen Veranlagungsmöglichkeiten sind ja höchst unattraktiv. Lebensversicherungen, Bausparverträge und Sparbücher bringen heutzutage so gut wie nichts, es gibt eine negative Realverzinsung. Eigentlich müssten die Leute geradezu schreien nach Veranlagungen, die einen realen Ertrag versprechen. Wenn es ein Angebot gibt und auch einen steuerlichen Anreiz für jene, die nicht spekulativ, sondern langfristig veranlagen, und man auch signalisiert, dass das nichts Obszönes und Unehrenhaftes ist, glaube ich schon, dass man die Dinge wieder zum Positiven drehen kann.
derStandard.at: Was konkret würden Sie sich wünschen?
Hoffmann: Man sollte das Angebot attraktiver machen. Ich würde mir weitere Privatisierungen von öffentlichen Unternehmen wünschen. Auch dort, wo der Staat noch Teile hält, würde ich mich auf eine Sperrminorität zurückziehen. Das wäre eine wunderschöne Aufgabe für die ÖIAG neu, der würde ich zusätzlich noch das Thema weiterer Privatisierungen als Aufgabe mitgeben.
derStandard.at: Mit Privatisierungen könnte man den Börsenplatz Wien aufpäppeln?
Hoffmann: Nein, es gibt keine einzelne Maßnahme, die alleine den Börsenplatz rettet. Es wird immer ein Mix an Maßnahmen sein müssen. Das klingt lapidar, ist aber wichtig. Mit einer Maßnahme wird nicht plötzlich alles gut. Das Angebot muss für Anleger attraktiver werden, das heißt, weitere Unternehmen an die Börse bringen, auch über Privatisierungen. Den Streubesitz erhöhen, da Aktien mit geringem Free Float für Investoren nicht sonderlich attraktiv sind. Dann kommt noch das steuerliche Thema dazu. Jetzt wurde die Zukunftsvorsorge nur halbherzig reformiert. Man hätte hier den steuerlichen Anreiz erhöhen müssen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass bei langfristiger Veranlagung die Höhe der Vermögenszuwachssteuer angepasst wird - zum Beispiel ein halber Steuersatz bei Buy-and-Hold-Strategien.
derStandard.at: Vergangene Woche hat die Wiener Börse angekündigt, den Derivatehandel auslaufen zu lassen. Was bedeutet das für den Handelsplatz?
Hoffmann: Es ist sicher kein Zeichen von Vitalität und neuem Aufbruch, wenn der Derivatehandel eingestellt wird. Auf der anderen Seite kann ich die Entscheidung der Wiener Börse nachvollziehen. Das Handelsvolumen ist gering, es gibt andere Handelsplätze, wo man billiger Derivate handeln kann. Isoliert betrachtet ist das kein großes Problem. Es ist eher wieder ein kleines Mosaiksteinchen der generellen Probleme, die der Börsenplatz Wien hat. Da kann man wirklich nur hoffen, dass eine neue Regierung wieder eine Kapitalmarktoffensive startet. Die Rahmenbedingungen für eine Wiederbelebung des Börsenplatzes hat die Politik zu gestalten, und da versagt sie kläglich.
derStandard.at: Was wurde falsch gemacht?
Hoffmann: Ich würde mir wünschen, dass man dem Thema Kapitalmarkt wieder die Bedeutung beimisst, die es hat. Alle reden immer darüber, wie wichtig die Wirtschaft ist und wie wichtig Innovation und Entwicklung sind, und übersehen dabei offensichtlich, dass ohne Geld und entsprechende Finanzierung das alles nicht funktionieren wird. Das Management der Wiener Börse hat zuletzt durchaus einige gute und richtungsweisende Schritte gesetzt, insbesondere die Einführung des ATX Global Players Index und des Corporate Prime Segments für erstklassige Unternehmensanleihen.
derStandard.at: Was müsste die Politik denn tun?
Hoffmann: Zuallererst braucht es ein Grundcommitment der Regierung zum Kapitalmarkt in Wien, insbesondere auch zum Thema Aktienveranlagung. Solange Politiker in Investoren vor allem Heuschrecken, Spekulanten und Couponschneider sehen, wird man keine Rahmenbedingungen haben, die ein funktionierender Kapitalmarkt braucht. Wir brauchen ein Grundbekenntnis, dass Unternehmensfinanzierung sowohl auf der Eigen- als auch auf der Fremdkapitalseite einen funktionierenden Kapitalmarkt braucht. Ich halte dieses Thema von der österreichischen Politik für dramatisch unterbewertet. Das Problem ist, wo bekommen Unternehmen Risikokapital her? Das beginnt bei der Unternehmensgründung und geht weiter bei etablierten Unternehmen am klassischen Aktienmarkt. (Daniela Rom, derStandard.at, 30.9.2013)