Poesie der Bilder: entrückte, träumende Elsa von Brabant (Sara Jakubiak) in der Federlandschaft. 

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Graz - Mehrere Epochen fließen elegant zusammen, suggerieren Zeitlosigkeit: Der Chor steckt - zeitgenössisch - in schwarzen Anzügen. Da ist allerdings auch jenes Mittelalterschwert zu sehen, das später im Duell zwischen Lohengrin und Friedrich von Telramund zum Zug kommen wird. König Heinrich wiederum, mit Insignien der Macht bekränzt, ist eindeutig Bewohner des 19. Jahunderts; wie auch die Intrigen schmiedende Ortrud in ihrer üppigen Robe. Elsa, die sich abseits dieser Gesellschaft in Seelenpein windet, dürfte indes ein konfliktbeladenes heutiges Mädchen sein.

Wenn der Gralsritter erscheint, beginnen jedoch weiße Federn auf die Zuschauer herabzurieseln und künden von jener märchenhaften Ebene, die sich als Kontrast über das Epochenspiel legt und von jenem Schwan erzählt, der Lohengrin, Elsas Retter und Kurzzeitgatten, herbeitragen wird: Über düsteren, gebrochenen Baumstämmen, auf denen das Pärchen Ortrud/Friedrich sich zankend quält, wandert Elsa dann entrückt durch eine Art Aquarium, dessen Boden wiederum aus weißen Federn besteht. Und wenn Lohengrin und seine Herzensdame, die ihn nach seinem Namen nicht befragen darf, erstmals unbeobachtet Intimität anbahnen, sieht man sie hoch oben über der "realen Welt" gleichsam in einem aufgeblätterten weißen Buch vergeblich Nähe üben.

Es ist bei dieser Premiere am Grazer Opernhaus somit der Bilderzauber (Bühnenbild: Kaspar Glarner; Kostüme: Christian Lacroix), der die Produktion trägt und der Regie von Johannes Erath das gewisse Etwas verleiht, da er die Figuren gewissermaßen - Intensität schenkend - einrahmt.

Wobei: Erath gelingt mit der Figur der Elsa das subtile Porträt einer verunsicherten Frau, die ihr erträumtes Lohengrin-Glück nicht vor den nagenden Fragen bezüglich der Identität ihres Retters bewahren kann. Sara Jakubiak gibt der Rolle auch vokal mit einer Mischung aus Fragilität und Impulsivität, Intimität und großer verzweifelter Geste differenziert Durchschlagskraft.

Eine profunde Leistung, der Herbert Lippert (als Lohengrin) nur zum Finale hin adäquat begegnen kann. Lange Zeit sind erhebliche vokale Mühen (vor allem in der Höhe) auszumachen. Es dauert, bis Lippert Sicherheit und Intensität bühnenwirksam in Einklang zu bringen vermag.

Hohe Eindringlichkeit

In Summe dennoch eine sehr passable musikalische Umsetzung: Derrick Ballard wirkt (als Heinrich) durchwegs profund, intensiv Anton Keremidtchiev (als Friedrich von Telramund) und von durchdringender Dramatik ist Michaela Martens (als Ortrud). Am kultiviertesten klang dann aber Andrè Schuen (als Heerrufer). Und zweifellos von großer Eindringlichkeit der Chor, der hohe Unmittelbarkeit garantiert.

Dass dessen Intensität - in Klangverbindung mit dem gut disponierten Orchester - für den verengten Bühneraum mitunter zu deftig wirkte, mag daran gelegen haben, dass Dirigent Julien Salemkour ein bisschen sehr auf die Entfesselung der Kräfte und weniger auf deren Ausgewogenheit Wert legte. Dennoch: Auch im Orchestralen eine solide Leistung - mit flotten Tempi und herber, aber wirksamer Klangstilistik gewürzt. Ein respektabler Star der Grazer Premierensaison. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 30.9.2013)