Bei der britischen Talentshow "The Great British Bake Off" wird geknetet, gerührt und verziert.

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Es ist Dienstagabend - und Millionen Briten schauen gebannt der Entstehung eines Biskuitkuchens zu. Wird sich der Teig heben und hübsch fluffig sein? Hoffentlich weicht der Boden nicht durch, wenn die Früchte darauf kommen. In "The Great British Bake Off" sucht eine Nation ihren besten Hobby-Bäcker. Und wer hätte gedacht, dass in einem Kuchen derart viel Dramatik stecken könnte? Für die Talentshow auf dem Sender BBC2 schalten wöchentlich rund sechs Millionen Zuschauer den Fernseher ein. Zu Finale-Zeiten waren es sogar schon mehr als sieben Millionen, die Back-Serie gewinnt gar gegen wichtige Fußballspiele.

Die neuesten Entwicklungen am Herd und das Privatleben der Moderatoren sind regelmäßig Gesprächsstoff und auch Thema in anderen Medien. Das Phänomen bleibt nicht auf den Bildschirm beschränkt: Hersteller von Backutensilien wie die Firma Lakeland berichten von einem Boom für Rührbesen, Sahnespritzen, Cupcake-Formen und Kuchenplatten, seit die Serie läuft. Back-Rezeptbücher wuchern in den Läden geradezu in den Regalen.

Vierte Staffel

Das Prinzip von "The Great British Bake Off" ist das einer Talentshow. Mehrere Hobbybäcker - in der aktuellen, vierten Staffel waren es zu Beginn 13 Frauen und Männer - treten wöchentlich gegeneinander an und werden von zwei Juroren bewertet. Am Ende siegt derjenige, der in sämtlichen Kategorien am meisten überzeugt hat.

Als erste Aufgabe müssen die Teilnehmer wöchentlich ein Lieblingsrezept umsetzen, das sie auch für ihre Freunde und ihre Familie backen. In der zweiten Runde wird ihnen ein Rezept vorgegeben, das allerdings voller Lücken ist. Meistens fehlen Mengenangaben, Backzeiten und bestimmte Zutaten, und dementsprechend geht einiges schief. Die dritte Runde dreht sich um die Dekoration und Präsentation der Backkunstwerke. Hier zählt Kreativität, etwa, als Teilnehmer Howard ein Brot backte, zu dem ihn ein Picasso-Gemälde inspiriert hatte. Der mittlerweile herausgeflogene Ali schuf einen Ying-Yang-Laib, der auf der einen Seite weiße Schokolade und Aprikosen enthielt, auf der anderen das indische Hähnchen-Gericht Chicken Tikka. "Die Idee dazu kam mir in einem Traum", erklärte er.

Backen im Park

Die Kulisse ist ein in Pastellfarben ausgeschmücktes Zelt in einer typisch englischen Parklandschaft. Die Ausstattung ist modern mit nostalgischem Flair, im Hintergrund wehen Wimpel mit der britischen Flagge. Jeder Kandidat hat seinen eigenen Backtisch mit sämtlichen Utensilien. Streit gibt es ab und zu darum, welche Geheimwaffen wie etwa selbst geschnitzte Löffel die Teilnehmer mitbringen dürfen.

"Ich dachte immer, das wäre eher eine Sendung für ältere Leute", sagt die 32 Jahre alte Zuschauerin Ruth, die jede Woche begeistert einschaltet. "Aber jetzt bin ich süchtig. Es ist so unterhaltsam, auch, wenn man sich gar nicht fürs Backen interessiert." Als die erste Staffel im August 2010 anlief, fielen die Bewertungen noch eher mager aus. "Langweilig" und "uninteressant" schrieben TV-Kritiker. Doch die Masse der Briten sah das anders. Die Zuschauerzahlen wuchsen stetig an, die BBC baute die Sendung entsprechend aus.

Zutaten einer Sitcom

Doch was kann so faszinierend daran sein, normalen Menschen "von nebenan" beim Kneten, Rühren und Verzieren zuzuschauen? Anna Maxted vom "Daily Telegraph" meint, "The Great British Bake Off" sei mehr als ein Backwettbewerb: "Es ist eine aufwendige Seifenoper, eine vorwitzige Sitcom, ein nervenaufreibendes, leidenschaftliches Drama, gespickt mit faszinierenden Charakteren."

Neben dem Unterhaltungswert glauben viele TV-Kritiker aber auch, dass die nette Atmosphäre und die stets strengen, aber höflich und freundlich bleibenden Juroren Mary Berry und Paul Hollywood einen willkommenen Kontrast zu gnadenlosen Talentshows wie "X Factor" oder der Suche nach neuen Supermodels schaffen. Teilnehmer und Juroren wirken herzerfrischend normal, das Ganze bodenständig.

Nachfolger "The Great British Sewing Bee"

Der Erfolg hat die BBC veranlasst, ein zweites, ähnliches Format auf den Bildschirm zu bringen: "The Great British Sewing Bee", ein Wettbewerb von Hobby-Nähern, der im Frühjahr lief. Das Prinzip ist ähnlich, statt Kuchen und "Pies" entstehen Blusen, Kleider und maßgeschneiderte Hosen. Der Erfolg der ersten Staffel war nicht mit dem der Back-Schwester zu vergleichen, doch die BBC plant eine Fortsetzung.

Patrick Grant, einer der Juroren des Näh-Programms, sieht die Anziehungskraft von Talentshows wie diesen in der Wärme, die die Teilnehmer ausstrahlen. "Das sind keine Leute, die an Ruhm interessiert sind oder ihre Gesichter ins Fernsehen bringen wollen", sagte er der "Daily Mail". "Menschen haben von Natur aus Spaß daran, Dinge herzustellen. Wir alle haben ein kreatives Gen, ob für Backen, Nähen oder andere Sachen. Als Kinder machen wir ständig selber Sachen, aber wenn wir erwachsen werden, sitzen wir die meiste Zeit vor dem Computer."

Deutscher Ableger

Gespannt darf man sein, ob das Konzept auch in Deutschland derart einschlägt. Pünktlich zur Plätzchen-Zeit läuft bei Sat.1 "Das große Backen" an. Derzeit wird noch gedreht, die genaue Sendezeit steht nach Angaben einer Sprecherin noch nicht fest. In Anlehnung an das britische Vorbild kämpfen zehn Hobbybäcker vier Wochen lang um den Titel "Deutschlands bester Hobbybäcker". Außerdem darf der Gewinner ein eigenes Backbuch herausbringen - und vielleicht eine neuen Back-Hype auslösen. (APA, 30.9.2013)