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Der britische Premierminister David Cameron hat nicht bloß ein Land zu regieren, sondern muss sich vor allem darauf konzentrieren, seine eigenen Funktionäre bei Laune zu halten. 

Foto: Reuters / Toby Melville

"Die nächsten Wahlen zu gewinnen", sagt Tim Montgomerie, "das wird unglaublich schwer." Der Gründer der einflussreichen Lobby-Website Conservative Home amtiert seit einigen Monaten als Kommentarchef der Times, und eigentlich sollte er ein wenig mehr professionelle Distanz wahren. Aber hier, bei einer Diskussion am Rande des konservativen Jahrestreffens im nordenglischen Manchester, gehen die alten Gewohnheiten mit dem Lobbyisten durch.

Montgomerie lobt die neue Rhetorik der Partei (Slogan: "Für hart arbeitende Leute"), beschwört die Konzentration auf wenige Kernthemen und warnt vor der Unterschätzung der Labour-Opposition. Schwierig würden die Wahlen zum EU-Parlament 2014 und zum Unterhaus 2015 aber vor allem aus einem Grund: "Während die politische Linke vereint ist, leidet die Rechte unter der Spaltung."

Der prominenteste Vertreter dieser Spaltung hatte am Montag einen triumphalen Auftritt: Nigel Farage. Auf das hermetisch abgeriegelte Terrain des Parteitages darf er freilich nicht. Also hält der einstige Konservative und nunmehrige Chef der nationalpopulistischen Ukip im Festsaal des Rathauses von Manchester Hof und macht sich ein Vergnügen daraus, bei den Tories zu provozieren. Das habe schon bisher glänzend funktioniert, sagt der EU-Parlamentarier: härteres Vorgehen gegen Immigranten, Steuererleichterungen für Verheiratete, das Versprechen einer EU-Volksabstimmung. "Bei jeder Verlautbarung der Tories höre ich bloß ein Echo unseres eigenen Programms."

Dass Farage in einem überfüllten Saal für sich werben kann, verdankt er seinen Gastgebern von der konservativen Brügge-Gruppe - so benannt nach Margaret Thatchers Rede 1988, in der sie dem "europäischen Superstaat"  den Kampf ansagte. Thatchers enger Vertrauter Norman Tebbit hat den gegnerischen Parteichef eingeladen, und neben Farage tritt der konservative EU-Feind Bill Cash zum Thema "Konservative und Ukip - Feinde oder Alliierte?" auf. Die Frage ist natürlich rhetorisch, es herrscht Einigkeit.

Feindbild Brüssel

Die von Montgomerie diagnostizierte Spaltung hat mit Parteigrenzen wenig zu tun. Konservative wie Tebbit und Cash fühlen sich Farage und dessen Wählern viel näher als ihrem Parteichef David Cameron oder Finanzminister George Osborne. Der Premier­minister versucht seiner Parteirechten entgegenzukommen, indem er auf Brüssel und Straßburg herumhackt. Der von den EU-Gründervätern beschworene "immer engere Zusammenschluss" solle verschwinden; die EU sei "zu bürokratisch, gegen Unternehmergeist, gegen Wettbewerb".

Und weil sich ausländische Kriminelle - darunter islamistische Hassprediger - gern auf ihre Menschenrechte berufen und dadurch ihre Abschiebung verzögern, müsse Großbritannien "notfalls die Europäische Menschenrechtskonvention" verlassen, meint Cameron. Die EU-Feinde nehmen das achselzuckend zur Kenntnis: Dem Vorsitzenden glauben sie kein Wort mehr. Das Versprechen einer Volksabstimmung 2017 reicht ihnen nicht. Sie wollen lieber heute als morgen aus dem verhassten 28er-Club austreten.

Parteivize Michael Ashcroft bezweifelt, dass sich mit diesem Stil Wahlen gewinnen lassen. "Wir können uns nicht nur auf die Kernwählerschaft verlassen", so der Geschäftsmann.

Im Vergleich mit Labour-Chef Ed Miliband kommt Cameron in vielen Umfragekategorien besser an beim Volk: Führungsstärke, Entschlossenheit, Kompetenz. Dennoch fürchtet man Miliband und seine Forderungen nach mehr sozialer Fairness. Man müsse den stets ein wenig unbeholfen wirkenden Labour-Chef ernst nehmen, mahnt Lobby-Journalist Montgomerie: "Die Lebenshaltungskosten machen den Leuten wirklich Sorgen." (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 1.10.2013)