Bild nicht mehr verfügbar.

Sandra Bullock als Astronautin auf einer problematischen Mission: Alfonso Cuaróns "Gravity" zielt auf neue Seherfahrungen im Kinoweltraum.

Foto: ap

Wien - Der Weltraum, unendliche Weiten. Ein kleines Nasa-Team soll da draußen Reparaturen an einem Teleskop durchführen. Der Veteran aus Texas, den George Clooney eine Spur zu lässig verkörpert, ist auf seiner Abschiedsmission. Die Wissenschafterin (Sandra Bullock) macht ihre Jungfernfahrt. Der Dritte im Bunde (Paul Sharma) bleibt eine Randfigur. Bald braust nämlich eine Ladung Weltraumschrott heran und macht die Routineaufgabe flugs zu einem Himmelfahrtskommando.

Der Film - mit dem Ende August die Filmfestspiele von Venedig eröffneten - heißt Gravity. Es ist der siebte Kinofilm von Alfonso Cuarón. Der mexikanische Regisseur hat unter anderem eine schwelgerische Adaption von Dickens' Großen Erwartungen inszeniert, das melancholische Roadmovie Y tu mamá también und das Endzeitdrama Children of Men - immer mit Hauskameramann Emmanuel Lubezki, der seit The New World auch für Terrence Malick arbeitet.

Ihre jüngste Zusammenarbeit ist ein 3-D-Kammerspiel im All. Die Astronauten, denen das Raumschiff abhandenkommt, müssen sich im freien Fall selbst erfahren. Was da zum Vorschein kommt, sind vor allem existenzialistische Klischees. Beim Zusehen soll sich außerdem das Weltallgefühl von Schwerelosigkeit vermitteln. Das erste Drittel des Films ist in dieser Hinsicht tatsächlich betörend. Die Kamera agiert losgelöst von räumlichen Koordinaten. Sie ist überdies in der Lage, physische Barrieren zu durchdringen, vom Blick auf die Protagonistin scheinbar bruchlos zu deren subjektiver Perspektive zu wechseln.

Dicke Tränen

Bald überwiegt beim Zusehen aber ein Distanzgefühl, auch wenn da ein Stückchen Schrott oder dort ein paar dicke Tränen in den Zuschauerraum herüberschwimmen. Auf Dauer will sich eine neue Seherfahrung, eine körperliche Involvierung mittels entfesselter Kamera, wie sie Michael Snow mit seiner monumentalen Landschaftsvermessung La région centrale schon 1971 bewirkte oder wie sie zuletzt den Filmemachern Véréna Paravel und Lucien Castaing-Taylor mit Multiperspektiven von Leviathan gelang, nicht wirklich einstellen.

Das hat wohl mit dem polierten Look des Films zu tun. Oder mit der eigentümlichen Entkoppelung von Bild und Ton. Die anekdotenhaften Dialoge und ihre etwas gestelzte Intonation lassen bald an ein Hörspiel denken, zu dem sich die wattierten Menschlein im All langsam drehen.

Neben der Technik setzt der Film aufs visuelle Zitat: Bullock entblättert sich wie weiland Jane Fonda in Barbarella - allerdings nur bis zur Baumwollunterwäsche. Gravity bemüht zudem schwere, pathetische Zeichen: Space-Cowboy Clooney und Rookie Bullock sind durch ein Fangseil wie durch eine Nabelschnur verbunden. Die traumatisierte Mutter (von der) Erde braucht ihre Nahtoderfahrung, um zu sich und zurück auf den Lehmboden des Planeten zu finden. Wenn an dieser Stelle ein Saurier auftauchte, dann wäre das wenigstens witzig. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 2.10.2013)