Ulm - Eine Zufallsentdeckung wird nun auch zu einem Eintrag im kommenden Guinness-Buch der Rekorde führen, berichtet die Universität Ulm. Dabei geht es um die dünnstmögliche Schicht Siliziumdioxid - also Glas -, die Forscher der Uni gemeinsam mit internationalen Kollegen 2012 im Fachjournal "Nano Letters" vorstellten.
Am Anfang des Krimis steht das Corpus delicti
Die Geschichte begann damit, dass der damalige Ulmer Doktorand Simon Kurasch eine Routineuntersuchung an der Atomstruktur einer Graphen-Probe durchführte. Dabei entdeckte er jedoch, dass sich auf dem Graphen eine äußerst dünne Schicht aus einem unbekannten Stoff gebildet hatte. "Sie ist teilweise wunderbar geordnet, andererseits völlig chaotisch", so Kurasch.
Die Entdeckung zog daraufhin Kreise, von der Leiterin der Materialwissenschaftlichen Elektronenmikroskopie an der Uni Ulm, Ute Kaiser, über das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart bis zum Kavli Institute for Nanoscale an der New Yorker Cornell-Universität. Dort richtete man gemeinsam mit den Ulmer Kollegen eine Forschungsgruppe ein, die sich der mysteriösen Stuktur annehmen sollte.
Schließlich zeigte sich, dass die ultradünne Schicht aus Siliziumdioxid bestand, also aus Glas. Mit Hilfe von Kollegen der Universität Helsinki wurde schließlich festgestellt, dass das Siliziumdioxid in zwei Schichten, einer so genannten Doppellage, die stabilst-mögliche Konfiguration eingeht. "So stellte sich heraus, dass wir die denkbar dünnste Glasschicht gefunden hatten, die damit faktisch zweidimensional war", so das Team. Zum ersten Mal konnten Wissenschafter somit genaue Einblicke in die atomare Struktur dieses besonderen Materials gewinnen.
Bestätigung einer alten Theorie
"Betrachtet man die elektronenmikroskopischen Aufnahmen, sieht man eine Lage unregelmäßiger und unterschiedlicher Polygone. Das sieht aus wie ein Flickenteppich meist aus Fünf-, Sechs-, Sieben- und Achtecken", sagt Kaiser. "Mit unseren Ergebnissen konnten wir erstaunlicherweise eine Theorie bestätigen, die bereits 1932 vom W. H. Zachariasen formuliert wurde". Der Artikel "The Atomic Arrangement in Glass" des in Norwegen geborenen William Houlder Zachariasen gilt mit seiner Beschreibung der amorphen Struktur von Glas als wegweisend.
"Schritt für Schritt haben wir durch unsere Experimente und Überlegungen der Schichtnatur ihr Geheimnis abgerungen, das war unglaublich spannend. Ein richtiger Wissenschafts-Krimi", sagt Kaiser. Der Eintrag ins Guinness-Buch wird nun das Tüpfelchen auf dem i. (red, derStandard.at, 5. 10. 2013)