Plakat von Marlene Haring: "Because Every Hair is Different ..." (2005).

Foto: Marlene Haring © Marlene Haring

Einblick in Ralo Mayers Ausstellung 2008 in der Secession.

Foto: Oliver Ottenschläger

Objekt "Nicolas VIII" (2013) von Christoph Meier.

Foto: Christoph Meier

Videostill aus Anna Witts Arbeit "Push", die 2006 in Venice Beach entstand.

Foto: Anna Witt

BC21 Art Award: Zum vierten Mal wird heuer der biennal ausgelobte und mit 20.000 Euro höchstdotierte private Kunstpreis Österreichs, initiiert von der Boston
Consulting Group (BC) und dem Belvedere, vergeben. „Herausragende Leistungen für die gesellschaftliche Weiterentwicklung sind heute gerade im zeitgenössischen
Kunstschaffen notwendiger denn je“, so Antonella Mei-Pochtler von BC. Die Nominierten - Anna Witt, Marlene Haring, Ralo Mayer und Christoph Meier - im Kurzporträt.

Museumseingang als Genital: Marlene Haring

Eine haarige Angelegenheit sind Marlene Harings Arbeiten. Bei der Triennale 2010 in Linz präsentierte sie Because Every Hair is Different (Weil jedes Haar anders ist!), eine Plakatserie, die Haring selbst in blonder Ganzkörperbehaarung zeigt - sozusagen als weibliches Pendant zur vollständig behaarten Star Wars-Figur Chewbacca. 2009 hielt sie gar die Wiener Secession wegen Schambehaarung geschlossen: Treppen und Eingangstür waren komplett mit Haaren bedeckt, statt zu dem Museumsbesuch wurden die Besucher in ein Café zu einem "zwanglosen Gespräch" geladen.

Humorvoll und kritisch betrachtet Haring die menschliche Behaarung, die einerseits verhüllt, zum anderen aber auch ein Gefühl von Nacktheit hervorrufen kann. Neben Sex und Gender, sozialer Nähe und Distanz thematisiert die 1978 in Wien geborene Künstlerin in ihren Installationen, Performances und Happenings, insbesondere die Rolle der Frau im Kunstbetrieb.

Bei der Berlin Biennale 2010 trennte die Birgit-Jürgenssen-Preisträgerin die Besucher nach Geschlechtern. Ihre Performance Einlasspolitik oder ich beiße die Hand, die mich füttert zielte darauf ab, das Verhältnis ausgestellter Künstlerinnen und Künstler widerzuspiegeln: Nach 33 Männern ließ sie nur zwölf Frauen in die Ausstellung hinein. Als die Schlange bei den Frauen in kurzer Zeit sehr lang wurde, gewährte sie zeitweise nur Frauen den Zutritt.

Haring studierte am Chelsea College of Art and Design in London sowie in Wien an der Akademie der bildenden Künste Computer- und Videokunst. Ihre Arbeiten waren bereits im Lentos Kunstmuseum in Linz, im Künstlerhaus Wien oder in der Kunsthalle Krems zu sehen.

Utopien und Spaceshuttles: Ralo Mayer

Als Astronaut zu einem fremden, weit entfernten Planeten zu fliegen ist ein viel gehegter Kindheitswunsch. Auch Ralo Mayer (geb. 1976) träumte bereits als Kind von den exotischen Welten der Science-Fiction-Filme. Als er zehn Jahre alt war, explodierte das Spaceshuttle Challenger; Millionen Menschen verfolgten den Start über das Fernsehen. Weltraum, Science-Fiction, Raumfahrtgeschichte und das Verhältnis von Mensch und Natur sind zentrale Kategorien im OEuvre des Künstlers.

So nahm er die Challenger-Katastrophe und den Absturz der Raumfähre Columbia 2006 als historische Klammern für eine seiner wichtigsten Installationen in der Ausstellung Obviously a major malfunction im Lentos Kunstmuseum 2011. Er baute die Dreiecksflügel des Raumgleiters aus angekohltem Holz nach und nutzte sie als Präsentationsfläche für eine Vielzahl von Objekten, die die Historie zwischen den beiden misslungenen Missionen erzählen: zum Beispiel den Fall der Berliner Mauer, den Irakkrieg oder 9/11.

Daneben fasziniert Mayer besonders das Projekt Biosphere 2: Mitten in der Wüste von Arizona errichteten Forscher ein autarkes, in sich geschlossenes Ökosystem, das die Wirklichkeit modellhaft abbilden sollte. Utopische Fantasien wie diese nutzt Mayer, um zwischen Kunst und wissenschaftlicher Forschung Brücken zu schlagen. Die Medien, die er dafür nutzt, sind u. a. Film, Performance, Rauminstallation und Text.

Mayer, der unter anderem an der Akademie der bildenden Künste in Wien Konzeptkunst sowie an der Kunstakademie Kopenhagen studierte, ist auch Herausgeber des Science-Fiction-Magazins multiplex fiction und Filmemacher. 2012 wurde ihm der Otto-Mauer-Preis verliehen.

Infusionsständer in der Disco: Christoph Meier

Vom Krankenhaus bis in die Diskothek haben es die Skulpturen von Christoph Meier (geb. 1980) geschafft. Ursprünglich dienten die sieben Stäbe als Infusionsständer, Meier hat die Haken für die Blutbeutel jedoch abgeschnitten und die Stangen in Cmyk-Farben - Cyan, Gelb, Magenta und Schwarz - eingefärbt, drei davon bestückte er mit in Schwarzlicht fluoreszierenden Lampen.

Typisches Krankenhausinterieur funktionalisierte der Künstler so zu einer discotauglichen Beleuchtung um. Proposal for a Discotheque nennt er darum seine performative Skulptur. Die Interaktion mit dem Betrachter ist Meier dabei sehr wichtig: Dieser kann die Position der rollbaren Stäbe im Raum nach Belieben verändern und wird so sogar Teil des Werkes.

Christoph Meier arbeitet oft raumbezogen, für seine Installationen und skulpturalen Anordnungen verwendet er häufig alltägliche Gegenstände oder gefundene Objekte. Oder er reflektiert - wie in der Ausstellung The Painting Room 2010 im Musa (Museum Startgalerie Artothek) - die Bedingungen, unter denen Kunst produziert wird. Im Museum gab es keine Kunstwerke zu sehen, sondern lediglich Objekte, auf denen Spuren der künstlerischen Produktion zurückblieben: eine mit Malrückständen übersäte Stellwand etwa, farbbespritzte Röhren und ein Stapel mit leuchtend gelben Broschüren. Darin klärt ein Text über die nicht gezeigten Arbeiten auf - der Prozess ihrer Entstehung ist die eigentliche Kunst Meiers.

Neben Ausstellungen in Wien und Graz waren Christoph Meiers Arbeiten bereits in Gent und Seoul zu sehen. 2013 erhielt er das Österreichische Staatsstipendium für bildende Kunst. Er schloss an der TU Wien sein Architekturstudium ab und studierte bei Heimo Zobernig an der Akademie der bildenden Künste in Wien. (ort)

Cheerleading als Protest: Anna Witt

Anna Witt bringt Menschen in unangenehme Situationen. Im kalifornischen Venice Beach konnten sich Passanten filmreif von der Künstlerin verhaften lassen: Dazu drückte sie ihnen die Arme hinter den Rücken und den Kopf auf die Motorhaube. Im Gegenzug durften sie auch Anna Witt "festnehmen". Die Teilnehmer schlüpften auf diese Art einmal in die Rolle des Mächtigen als auch in jene des Unterdrückten. Push (2006) heißt ihre auf Video festgehaltene Performance.

Die 1981 in Wasserburg am Inn geborene und in Wien lebende Künstlerin beschäftigt sich mit der Rolle des Individuums in sozialen Systemen. Oft hebt sie die Unterscheidung zwischen Zuschauer und Akteur auf, indem sie performativ im öffentlichen Raum interveniert.

In einem Wiener Einkaufszentrum fragte sie Menschen nach einem radikalen Gedanken zur Veränderung der aktuellen Situation - ganz gleich ob politischer, wirtschaftlicher oder privater Natur. Witzige und utopische Gedanken wie "Es gibt keine Schule mehr, alle sind von Geburt an schlau" oder "Man kann unbegrenzt Geld vom Automaten abheben, bis alles zusammenbricht" waren in einem anschließend zusammengefassten Manifest zu lesen.

Ihre urbanen Eingriffe, die sie später mittels Videoinstallationen präsentiert, sind explizit politisch. Sie kreisen um Themen wie Feminismus, Wirtschaftskritik, Identität und Kollektivität oder Bürgerrechte. Einem Cheerleading-Team aus Wien brachte sie etwa die gewaltfreie Protestform des "Radical Cheerleading" näher, um ihre sportliche Choreografie um politische Inhalte zu ergänzen.

Anna Witt studierte an der Akademie der bildenden Künste in München und Wien Bildhauerei und performative Bildhauerei. 2010 erhielt sie das österreichische Staatsstipendium für Video- und Medienkunst. (Michael Ortner, DER STANDARD, 30. 8. 2013)