Bild nicht mehr verfügbar.

Mit europäischer Solidarität sollen die Probleme spanischer Arbeitsloser gemildert werden, fordert die EU-Kommission. (Bild: Demonstration gegen Jobverlust in Valencia im Jänner 2013)

Foto: Reuters

Brüssel/Wien - Der Zeitpunkt war nicht zufällig so gewählt. Keine zehn Tage nach den Wahlen in Deutschland und kurz nach der Polit-Entscheidung in Österreich hat EU-Sozialkommissar Lászlo Andor am Mittwoch einen Vorstoß für eine Aktion gestartet, die Solidarität verlangt. Sein auch von Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn sowie Kommissionspräsident José Manuel Barroso unterstützter Plan: Mit einem von den Euroländern gespeisten Krisenfonds notleidender Staaten bei der Zahlung von Arbeitslosengeld helfen.

Das Vorhaben birgt Sprengstoff, weil damit Geldtransfers von reicheren in ärmere Länder einhergehen. Als 2012 in Brüssel erstmals die Idee einer europäischen Arbeitslosenversicherung ventiliert wurde, reagierte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verärgert. Die Argumente der Gegner einer solchen Versicherung, die laut geltendem EU-Vertragswerk derzeit unzulässig ist, sind gleich: Damit falle der Anreiz in den Mitgliedsstaaten weg, die Sozialsysteme nachhaltig zu reformieren.

Mit europäischer Solidarität sollen die Probleme spanischer Arbeitsloser gemildert werden, fordert die EU-Kommission.Schwierige Umsetzung

"Wir müssen uns die Pläne im Detail anschauen und bewerten," hieß es im Büro von Sozialminister Rudolf Hundstorfer auf Anfrage des Standard. Einfach werde es nicht, gebe es doch gerade bei der Arbeitslosenversicherung sehr unterschiedliche Systeme.

Nach Brüsseler Plänen soll das Versicherungssystem "die Risiken der ökonomischen Schocks vergemeinschaften und so Fluktuationen in den Nationaleinkommen reduzieren". Erst vor kurzem hat sich auch der Internationale Währungsfonds für die Etablierung einer europäischen Arbeitslosenversicherung ausgesprochen.

Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sieht die Initiative positiv, wiewohl nicht leicht umsetzbar. "Es wird stark auf das Design ankommen, damit Widerstände in Ländern mit einer besseren Entwicklung gebrochen werden können."

Beispielloses Unterfangen

Das Vorhaben ist ohne Beispiel. Im Kleinen freilich funktioniert die Arbeitslosenversicherung schon so, wie sie in der Eurozone dereinst wirken soll. Wie in Österreich, wo die Beitragssätze in Bundesländern mit starker Arbeitslosigkeit nicht höher sind als weniger betroffenen Regionen, soll dies dereinst auf europäischer Ebene auch so sein: Die Starken unterstützen die Schwächeren.

Von einer Stabilisierung der Wirtschaft in Ländern wie Spanien oder Griechenland und dem Fortbestehen der Gemeinschaftswährung profitierten letztlich auch Nettozahler wie Deutschland oder Österreich. "Wir können besser exportieren, weil der Euro für uns eigentlich unterbewertet ist", sagt Mahringer.

Andere Ökonomen sehen aber noch deutlichen Handlungsbedarf. Ein wesentlicher Grund für die hartnäckig hohe Arbeitslosigkeit in Europa ist für Anders Aslund, Volkswirt beim Peterson Institute in Washington, die schwache Mobilität von Arbeitskräften: "Es gibt zu viele Hürden. Es ist ein großes Problem, dass Menschen nicht die wirtschaftlich schwachen Gebiete in Spanien verlassen und etwa nach Deutschland kommen." Laut Berechnungen der EU-Kommission überqueren Europäer Ländergrenzen zehnmal so selten wie etwa US-Bürger die Grenzen ihrer Bundesstaaten, um einen neuen Arbeitgeber zu finden.

Für Aslund ist dafür auch das Pensionssystem verantwortlich. "Ohne Reform der Pensionssysteme wird Europa sein Problem der Arbeitslosigkeit nicht lösen." Es sei zu schwierig, die Ansprüche in einem anderen Land geltend zu machen, insbesondere wenn die Systeme der verschiedenen Länder wenig kompatibel sind. Selbst die EU-Kommission schreibt in ihrem am Mittwoch vorgestellten Bericht kritisch: "Sich in einem EU-Mitgliedsland um einen Job umzuschauen ist mühsam und bürokratisch, und es kann auch negative Folgen für die Ansprüche in der Sozialversicherung haben." (Günther Strobl/Lukas Sustala, DER STANDARD, 3.10.2013)