Die Baugruppe "JAspern" baut in der zukünftigen Seestadt ein Wohnhaus und hat sich dabei für ein Eigentumsmodell entschieden.

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Im Sonnwendviertel am neuen Wiener Hauptbahnhof hat ein Bauträger ein partizipatives Bauprojekt gestartet.

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Das "Wohnprojekt Wien" am Nordbahnhof ist im Dezember bezugsfertig.

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Die Baugruppe "Seestern" baut ein Wohnheim-Projekt in der Seestadt Aspern.

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Immer mehr Menschen wollen ihren Wohnraum selbst gestalten und sich dabei nicht nach den vorhandenen Gegebenheiten richten. Tun können sie das, indem sie sich mit Gleichgesinnten in Baugruppen zusammenschließen und gemeinsam ein Haus bauen, das ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Derzeit werden in Wien mehrere partizipative Bauprojekte unterschiedlicher Modelle und Finanzierungsvarianten realisiert.

Pionierarbeit in der Seestadt Aspern

Pionierarbeit auf dem Gebiet des gemeinschaftlichen Bauens wird im Moment in der künftigen Seestadt Aspern, die am ehemaligen Flugfeld in Wien-Donaustadt entsteht, geleistet. Dort hat die Stadt Wien erstmals einen Teil der Baugründe für derartige Wohnformen reserviert. Auf dem Baufeld D13 errichten fünf Baugruppen bis 2015 ihre Wohnhäuser.

In unmittelbarer Nachbarschaft entsteht auf D22 ebenfalls ein Gemeinschaftsbau einer Baugruppe. Alle Häuser sind geförderte Wohnbauprojekte.

Projekt "Seestern"

Eines dieser Wohnhäuser in der Seestadt Aspern trägt den Namen "Seestern". Das Projekt umfasst 28 Wohneinheiten und wird bis Anfang 2015 fertiggestellt. Die Baugruppe fungiert als Verein und hat sich dazu entschieden, mit einem gemeinnützigen Bauträger zusammenzuarbeiten. Dieser soll das finanzielle Risiko abfedern und das nötige Know-how mitbringen, erklärt Gernot Tscherteu, Initiator von "Seestern". Der Bauträger vermietet dann das gesamte Gebäude an den Verein.

Begonnen mit der Planung hat Tscherteu, der auch die Baugruppen-Plattform Parq gegründet hat, vor dreieinhalb Jahren. "Ich glaube, dass gemeinschaftliches Wohnen auch gesellschaftliche Aufgaben erfüllt", sagt Tscherteu. "In Zeiten, in denen klassische Familienstrukturen nicht mehr so stark vorhanden sind, ist es wichtig, neue Formen zu finden, um gemeinschaftliche Strukturen aufzubauen." Der 48-Jährige wird selbst in eine 55 Quadratmeter große Wohnung des Projekts einziehen.

Zeitaufwendiger Prozess

Der Entscheidungs- und Mitbestimmungsprozess ist laut Tscherteu mit einem großen Zeitaufwand verbunden gewesen, doch nun gebe es für alle Mieter eine Wohnung, die auf ihre Lebensbedürfnisse zugeschnitten sei. Außerdem können alle einen Gemeinschafts-, einen Coworking- sowie einen Nächtigungsbereich, einen Multifunktionsraum und Dachgeschoß-Plätze nutzen.

Es habe auch Interessenten gegeben, die nur an Wohnungen mit Dachterrasse interessiert waren, diese seien aber schnell wieder ausgeschieden. "Uns ist wichtig, dass die Leute nicht nur an der Wohnung, sondern auch an der Gemeinschaft interessiert sind", sagt Tscherteu. Für seine Wohnung wird er in Zukunft 9,17 Euro pro Quadratmeter und Monat an Miete bezahlen. Der Eigenmittelbetrag liegt bei 350 Euro pro Quadratmeter. Außerdem ist ein Mitgliedsbeitrag von rund 20 Euro pro Monat an den Verein zu entrichten sowie ein Einmalerlag von knapp 3000 Euro.

Leben im Wohnheim

Als Rechtsform hat sich "Seestern" für die eines Wohnheimes entschieden. Dieses Modell sei bei Baugruppen beliebt, da hier die Stellplatzverpflichtung geringer ausfällt und die Gemeinschaftsräume stärker gefördert werden, erklärt Ernst Gruber, Architekt und Mitglied der Initiative für Gemeinschaftliches Bauen und Wohnen.

Eigentum in der Seestadt

Die Baugruppe "JAspern" hat sich als einzige in der Seestadt für ein Eigentumsmodell entschieden. Der durchschnittliche Eigenmittelanteil dafür beträgt pro Quadratmeter 2.217,50 Euro. Mit 18 Wohnungen baut "JAspern" das kleinste Haus auf dem Baufeld. Neben einem Garten gibt es als gemeinsam nutzbare Flächen zwei Gemeinschaftsterrassen und einen Veranstaltungsraum.

Anders als die anderen Baugruppen hat "JAspern" keinen externen Bauträger engagiert. "Dadurch ersparen wir uns Geld, haben aber auch ein höheres Risiko", sagt Fabian Topfstedt, der mit seiner vierköpfigen Familie eine 114 Quadratmeter große Wohnung in dem Haus beziehen wird. Bis September 2014 soll es fertiggestellt werden.

Noch vier Wohnungen frei

Der 31-jährige Informatiker Topfstedt war schon länger auf der Suche nach einer Eigentumswohnung in Wien, diese waren ihm jedoch immer zu teuer. Über das Internet ist er dann auf die Baugruppe "JAspern" gestoßen und war sofort von der Idee eines Gemeinschaftsbaus begeistert. "Es hat den Vorteil, dass sich alle Nachbarn kennen, wir uns mögen und gleiche Vorstellungen haben", sagt Topfstedt. Auch beim Planungsprozess sei man sich zumeist überwiegend einig gewesen. "Immerhin ist es unser eigenes Geld, das wir hier verbauen."

Da es sich bei "JAspern" um geförderte Eigentumswohnungen handelt, werden vier der 18 Wohnungen über das Wohnservice Wien vergeben. Interessierte können sich noch anmelden und eventuell nachrücken.

Selbstverwaltete Baugruppe am Nordbahnhof

Ein weiteres gefördertes Baugruppenprojekt entsteht derzeit am Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Das "Wohnprojekt Wien" hat 39 Wohneinheiten und ist als Wohnheim deklariert. Es soll im Dezember bezugsfertig sein. Zwar gibt es bei dem Projekt einen Bauträger, diesem wird das Wohnhaus aber noch vor dem Einzug abgekauft.

Die Hausgemeinschaft ist als Verein organisiert, in dessen Eigentum das Gebäude nach dem Kauf übergeht. Dafür muss der Verein einen Kredit von rund acht Millionen Euro aufstellen. Die Miete bezahlen die Hausbewohner dann an den Verein.

Der finanzielle Aufwand sei bei diesem Projekt im Vergleich zu anderen etwas höher, da die Gemeinschaftsflächen mit 25 Prozent der Gesamtwohnfläche wesentlich größer sind, erklärt Markus Zilker vom Architekturbüro Einszueins, das für die Planung der Wohnanlage verantwortlich ist. Die Kosten für die Gemeinschaftsflächen müssen die Mieter zusätzlich zur normalen Wohnungsmiete bezahlen. Auch Zilker wird in das Projekt selbst einziehen. "Mir gefällt, dass man hier nicht anonym ist und wir gemeinsam eine größere Vision verfolgen", sagt er.

Partizipation am Hauptbahnhof

Ebenso in Fertigstellung befindet sich das partizipative Bauprojekt in der Nähe des neuen Wiener Hauptbahnhofs. Die 111 Wohnungen des Projekts "sovieso" - die Abkürzung steht für "Sonnwendviertel solidarisch" - werden im November übergeben. Es handelt sich dabei um geförderte Mietwohnungen mit Kaufoption. Rund die Hälfte der Wohnungen wurden über den Wohnservice Wien vergeben. "Trotzdem hat sich hier sehr rasch eine Gemeinschaft unter den Mietern gebildet", sagt Robert Pfeffer vom Bauträger BWS.

Anders als bei anderen partizipativen Bauprojekten wurde das Wohnhaus im Sonnwendviertel von einem Bauträger und nicht einer Baugruppe initiiert. "Wir als Bauträger haben die Baugruppe geformt und begleitet", sagt Pfeffer. Zu Beginn des Projekts wurden Interessenten vom Bauträger gesucht, mit denen in weiterer Folge das Wohnhaus nach deren Bedürfnissen geplant wurde. "Es war eine Art Puzzlespiel für die Architekten", sagt Pfeffer. In einem parallel laufenden Prozess wurde die Nutzung der Gemeinschaftsflächen und der Freiraumbereiche geplant.

Atypischer Wohnungsmix

Interessant an dem Projekt ist für ihn der entstandene atypische Wohnungsmix in dem Haus, den Bauträger ohne Mitbestimmung der Mieter so in der Regel nicht planen würden. Überraschend dabei war für Pfeffer vor allem der Bedarf an sehr großen Wohnungen. "Rund 35 Prozent sind Vier-Zimmer-Wohnungen."

Der finanzielle Aufwand  für Mieter ist hier nicht größer als bei anderen Projekten im geförderten Wohnbau. Die Mietkosten liegen bei rund 7 Euro pro Quadratmeter, der Eigenmittelanteil bei 520 Euro pro Quadratmeter. Eine weitere Besonderheit sowohl für Mieter als auch Bauträger ist jedoch die lange Vorlaufzeit von rund drei Jahren. "Dafür hat man danach keinen anonymen Haufen, der sich nicht kennt", sagt Pfeffer. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 30.10.2013)