66 Buben werden nach sexuellem Missbrauch im Don-Bosco-Projekt "Sevana" betreut.

Foto: Jugend Eine Welt

Der Salesianerpater Nalawattage Anthoney Humar Pinto setzt sich für eine Zukunft der Kinder und Jugendlichen in Sri Lanka ein.

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Im Don Bosco Technical Centre erhalten Jugendliche eine Berufsausbildungen, fast alle von ihnen schaffen den Abschluss.

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Sie werden "Beach Boys" genannt und gehen bereits für eine Flasche Cola mit den weißen Männern mit. Die Buben an Sri Lankas Westküste verkaufen ihren Körper und werden von Sextouristen aus Skandinavien, Deutschland und den USA missbraucht. Bereits in den 1990er Jahren habe der Inselstaat als "Boy's Paradise" gegolten, erzählt der srilankische Salesianerpater Nalawattage Anthoney Humar Pinto am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wien.

Behördenschätzungen gehen davon aus, dass zwischen 10.000 und 35.000 Kinder von Missbrauch betroffen sind. Das Kinderhilfswerk UNICEF spricht von drei bis fünf missbrauchten Kindern täglich. Genau weiß das niemand, eine Datenbank soll durch das zuständige Ministerium aufgebaut werden, um valide Daten zu erhalten. Der stellvertretende Generalstaatsanwalt Sarath Jayamanne sagte zur BBC, dass sich bereits 45 Prozent aller Fälle vor hohen Gerichten in Sri Lanka mit dem Thema Kindesmissbrauch befassen. Der Trend würde zeigen, dass diese Zahl weiter steigt.

Eltern verschließen Augen

Auch laut Pintos Beobachtungen nimmt der Sextourismus in der Region rund vier Jahre nach Ende des Bürgerkriegs wieder zu. Die Regierung würde viel Geld in die Vermarktung des Tourismuslandes Sri Lanka stecken und dadurch auch potenzielle Täter ins Land locken. "Als weißer Mann muss man nur eine Stunde am Strand entlanggehen, und schon werden einem minderjährige Buben angeboten", erzählt Pinto. Oft wissen auch die Eltern von dem Missbrauch und verschließen ihre Augen, weil die armen Fischerfamilien das Geld der Buben benötigen.

Der Salesianerpater arbeitet für Projekte der Hilfsorganisation Don Bosco, die den traumatisierten Kindern und Jugendlichen eine Perspektive geben sollen. Im "Sevana-Projekt", rund 15 Kilometer vom Ferienort Negombo entfernt, bekommen derzeit 66 Burschen im Alter von elf bis 17 Jahren Therapie und Rehabilitation. Zusätzlich erhalten mehr als 400 Mädchen und Burschen mit Unterstützung von "Jugend Eine Welt" die Möglichkeit einer Berufsausbildung im nahe gelegenen Don Bosco Technical Centre, dessen Abschluss auch die Möglichkeit einer Universitätslaufbahn beinhaltet.


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Kinder als Bürgerkriegssoldaten

Fast alle Jugendlichen beenden ihre Ausbildung im Projekt erfolgreich, erzählt der Don-Bosco-Pater. Das ist in Sri Lanka, wo mehr als die Hälfte aller Heranwachsenden über keinen Schulabschluss verfügen, eine Seltenheit. Der Bürgerkrieg, der zwischen 1983 und 2009 im Land tobte, ist ein Grund für diese Statistik. Vor allem im Norden des Inselstaats wurden Kinder zu Soldaten ausgebildet und in den Kampf zwischen der Armee und der Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) geschickt. Alleine Don Bosco betreute kurz nach dem Krieg 400 Buben und 200 Mädchen, die in Kampfhandlungen verwickelt waren.

"Jede Familie hatte mindestens einen Sohn oder eine Tochter im Krieg", sagt Pinto. Vor allem die Rebellen beschafften sich so neue Kämpfer, aber auch die Armee sah weg, wenn sich minderjährige Burschen mit gefälschten Geburtsurkunden als Soldaten meldeten. Mussten die Minderjährigen nicht zur Waffe greifen, so seien sie in der Schule einer Gehirnwäsche unterzogen worden: "Drei Stunden pro Tag bekamen die Kinder eine militärische Ausbildung und mussten sich Propagandamaterial ansehen", sagt der Pater.

Flucht ins Ausland

Nach Kriegsende erwarteten sich die Behörden, dass eine motivierte Jugend am Aufbau des Landes teilhaben würde. Doch Traumata und Kriegsvergangenheit rissen die jungen Erwachsenen laut Pinto in eine Lethargie: "Die meisten von ihnen wollen schnelles Geld. Das treibt sie dazu, das Land zu verlassen und über den Seeweg vor allem illegal nach Australien auszuwandern." Er fordert deshalb von der Regierung mehr Geld für Projekte, die den jungen Menschen Berufschancen geben, und vor allem Werbemöglichkeiten für bereits bestehende Initiativen. Außerdem solle sich Sri Lanka auf seine Ressourcen besinnen und diese sinnvoll ausbeuten. "Wir könnten ein Land des Aufschwungs werden, wenn die Prioritäten wieder stimmen", ist Pinto überzeugt. (Bianca Blei, derStandard.at, 3.10.2013)