Wie weit sollten Spiele in das moralische Verhalten der Spieler eingreifen?

Foto: Screenshot/Modern Warfare 2

Kriegsspiele werden zunehmend realer. Einerseits liegt das am technischen Fortschritt, andererseits trauen sich Spielhersteller immer häufiger die realen Schrecken des Schlachtfeldes in der Virtualität abzubilden. Einstürzende Häuser, verstümmelte Soldaten, massakrierte Zivilisten und Folter sind Teil der nahe an der Wirklichkeit kratzenden Geschichten von "Battlefield", "Call of Duty" und Co. Der entscheidende Unterschied: Im Spiel muss sich niemand über die Konsequenzen seiner Taten Gedanken machen. Scheitert eine Mission, weil man einen Kameraden erschossen oder zu viel Kollateralschaden verursacht hat, startet man einfach neu. Stirbt man, fängt man eben vom letzten Speicherpunkt wieder an. Doch was wäre, wenn dies alles nicht so einfach ginge. Wenn man über sein Handeln zweimal nachdenken müsste?

Der Ruf nach Konsequenzen

Francois Senechaud, Sprecher des Internationalen Komitees des Roten Kreuz, fordert genau das von den Spielherstellern. "Videospiele, die Schlachtfelder repräsentieren, sind sehr nahe an der Realität und tatsächlich ist es sehr schwer die Unterschiede zwischen realen Aufnahmen und Videospielaufzeichnungen zu unterscheiden. Wir meinen, dass wir noch einen Schritt näher an die Wirklichkeit herankommen müssen und auch die Regeln des Krieges inkludieren sollten", sagt Senechaud in einem Interview mit der BBC

Es ist ein valides Argument, das auf die sehr einseitige Darstellung von Krieg in Videospielen aufmerksam macht. In "Call of Duty: Modern Warfare 2" schockierten die Entwickler die Öffentlichkeit mit einer Szene, in der Spieler Teil eines Terroranschlags auf einem Flughafen werden. In "Splinter Cell: Blacklist" foltert man, um an Informationen heranzukommen. Schreckliche Bilder, die aber im Sand zumeist sehr oberflächlicher Erzählungen verlaufen, anstatt Anstoß für eine tiefgründigere Abhandlung zu sein. Sofern Kriegsverbrecher im wahren Leben ertappt werden, müssen diese mit schweren Strafen rechnen. In Spielen bleibt es zumeist beim dargestellten Realismus.

Ein Recht auf Fantasie

Die andere Seite der Medaille ist das Recht von Spielherstellern, eine Fiktion nach ihren Vorstellungen zeichnen zu dürfen. Und so sehr ein "Battlefield 4" audiovisuell an wahre Kriegsschauplätze herankommt, sorgt nicht gerade der Verzicht auf real erscheinende Konsequenzen für die Unterscheidungsmöglichkeit und die Gewissheit, dass man sich in einem Spiel befindet? Das Bewusstsein über die Virtualität ermöglicht uns, lebensnahe Explosionen und täuschend echte Schusswechsel als Unterhaltung mit Freunden und fremden Spielern wahrzunehmen. Oberflächlich betrachtet mag dies perfide erscheinen, doch in wie fern unterscheidet sich - in der Rolle des Spielers - ein "Battlefield" von einer Runde "Räuber und Gendarm"? Die Fähigkeit zur Abstraktion ist ein Argument, das Hersteller im Recht erscheinen lässt.

Umdenken

Doch nicht alle Entwickler denken so. Das tschechische Studio Bohemia Interactive ist für die vermutlich authentischste kommerziell verfügbare Militärsimulation "ARMA" bekannt und gerade dieser Drang zur Realität ließ die Schöpfer die Spielregeln ihres fiktiven Schlachtfeldes überdenken. In Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz wurden für die aktuelle Auflage "ARMA 3" die Gesetze des Krieges auf die Simulation übertragen. Bricht man die Regeln, hat man verloren. "Wir haben festgestellt, dass manche Spieler auf alles schossen, was sich bewegt. Für uns hat sich das einfach nicht richtig angefühlt", sagt Designer Marek Spanel. "Daher haben wir einen sehr simplen, aber intuitiven Mechanismus eingeführt. Wenn du das macht und es sind befreundete Truppen um dich herum, werden sie dich attackieren." Fehlverhalten wird demnach unmittelbar bestraft. Es wird sich zeigen, ob Spieler mit den Konsequenzen eines virtuellen Krieges leben können. Von neuen Anstößen und der Initialisierung eines Umdenkprozesses könnte die Branche in jedem Fall profitieren. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 5.10.2013)

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