Mit einer Länge von sechs Metern ist der Darm das größte Organ des menschlichen Körpers. Krebsanfällig sind davon allerdings nur zwei Abschnitte: der eineinhalb Meter lange Dickdarm (Kolon) und der 15 bis 20 Zentimeter lange Enddarm (Rektum).
Etwa 5.600 Personen erkranken in Österreich jährlich an Dickdarmkrebs. Nach Lungenkrebs bei Männern und Brustkrebs bei Frauen ist er die zweithäufigste Krebs-Todesursache. Blutauflagerungen am Stuhl, Änderungen der Stuhlgewohnheiten und Stuhlunregelmäßigkeiten einschließlich Verstopfung und Durchfall können Hinweise auf die Erkrankung geben. Dazu kommen oft krampfartige Bauchschmerzen, Leistungsabfall, rasche Ermüdbarkeit, Appetit- und Gewichtsverlust.
Hinter diesen mitunter plötzlich auftretenden Symptomen steckt eine längere Entwicklung. "Die Entstehung einer bösartigen Geschwulst im Darm ist kein Ereignis, das über Nacht eintritt, sondern ein über Monate bis Jahre verlaufender Prozess", erklärt Béla Teleky, stellvertretender Leiter der Abteilung für Allgemeinchirurgie der Universitätsklinik Wien, Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Coloproktologie sowie Begründer und Präsident der European Federation for coloRectal Cancer.
Mehr Frauen als Männer betroffen
Mikroskopisch betrachtet tut sich dabei Folgendes: Krebs entsteht immer dann, wenn Zellen Nester bilden und Eiweißstoffe produzieren, die ihr eigenes Wachstum fördern. Bei einer Größe von fünf Millimetern haben sich schon eine Million krankhafter Zellen gebildet.
Dieser bereits im Röntgenbild sichtbare Tumor scheidet Botenstoffe aus, die Blutgefäße zum Wachstum anregen. Zudem kann der Tumor mit einer eigenen Blutversorgung Nährstoffe für ein ungehindertes Wachstum heranschaffen. Der Krebs hat es geschafft: Er hat sich der körpereigenen Kontrolle entzogen.
Dickdarmkrebs tritt in den meisten Fällen ab dem 50. Lebensjahr auf, das Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren. Frauen erkranken etwas häufiger als Männer. "Trifft es von 100.000 Männern 16, so sind es bei 100.000 Frauen 20 Betroffene", weiß Teleky. Die Ursache für diese Verteilung ist bislang unklar.
Risikofaktoren
Als mögliche Auslöser für Darmkrebs wird ein Zusammenspiel aus Umwelt- und Ernährungsfaktoren sowie genetischen Dispositionen diskutiert. Problematisch ist, dass Darmkrebs oft erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird, da die Betroffenen über längere Zeit hinweg keine Symptome verspüren.
Steht die Diagnose Dickdarm- oder Enddarmkrebs (Kolonkarzinom oder Rektumkarzinom), dann ist die Operation Zentrum der therapeutischen Maßnahmen. Ziel ist die möglichst vollständige radikale Entfernung des Tumorgewebes mit den dazugehörenden Lymphknotenstationen. "Durch eine bessere Operationstechnik in Kombination mit moderner Strahlentherapie konnte in den letzten Jahren die Lokalrezidivrate - also das neuerliche Auftreten der Erkrankung - gesenkt werden", weiß Teleky.
Kein Blutverlust, keine Nervenschädigung
Bei einem Karzinom im aufsteigenden Dickdarmanteil muss stets der halbe Dickdarm entfernt werden. Bei der Operation des Rektumkarzinoms wird der Tumor in seiner gesamten Ausdehnung einschließlich eines Sicherheitsabstands nach unten und oben entfernt. "Dabei werden Gefäße und Lymphknoten en bloc mitgenommen", erklärt Teleky.
Der Chirurg hebt in einer offenen oder laparoskopischen Operation das Dickdarmstück mit dem ganzen Tumor und seinem natürlichen Umfeld, dem Bindegewebe, heraus. Da das Gewebe nicht verletzt wird, erfolgt keine Streuung der Tumorzellen. "Der Eingriff zieht keinen nennenswerten Blutverlust nach sich und keine Schädigung der dahinterliegenden Nerven, die für die Blasenfunktion und die sexuelle Erregung bei Mann und Frau zuständig sind", so Teleky, "das ist der Unterschied gegenüber früher." Darüber hinaus kann der Chirurg mit dieser Operationsmethode sehr tief bis zum Beckenboden hinuntergehen, denn viele Rektumkarzinome sitzen direkt beim Ausgang.
Erhaltung des Schließmuskels
"Früher hieß es: Mastdarmkrebs ist gleich künstlicher Ausgang", sagt Teleky. "Konnten vor wenigen Jahren nur 20 Prozent der Fälle schließmuskelerhaltend operiert werden, hat sich das Verhältnis heute umgekehrt: Die Erhaltung des Schließmuskels ist zu 80 bis 85 Prozent gewährleistet", weiß Teleky. Nur bei Karzinomen, die sehr tief am Schließmuskel lokalisiert sind, ist ein bleibender künstlicher Ausgang (Stoma) durch die Bauchdecke notwendig.
Gute Lebensqualität ist jedoch auch mit einem Stoma möglich. "Ein gut gemachter künstlicher Ausgang ist für den Patienten besser als ein schlechter Schließmuskel", berichtet der Experte von Patienten, die sogar auf die Rückoperation verzichten.
Warten, bis der Tumor kleiner ist
Der Wunsch vieler Tumorpatienten ist die sofortige Operation. "Es ist besser zu warten, bis der Tumor kleiner ist", erklärt Teleky. Sitzt er im mittleren oder unteren Rektumdrittel, wird vor dem chirurgischen Eingriff eine Radio-Therapie - "Bestrahlung" – durchgeführt, die manchmal mit einer begleitenden oralen Chemotherapie einhergeht, um das Gewebe empfänglicher für die Bestrahlung zu machen. Erst nach bis zu drei Monaten ist ein positiver Effekt erkennbar: Der Tumor ist kleiner geworden, es kann operiert werden.
In 16 bis 28 Prozent der Fälle ist der bestrahlte Tumor bis zum OP-Termin verschwunden. Trotzdem wird operiert. "Wer A sagt, muss auch B sagen", meint Teleky. Denn erst wenn das entnommene Gewebe pathologisch untersucht worden ist, herrscht Gewissheit, ob es frei von Tumorzellen ist.
Postoperative Therapie
Nach der Operation erhalten die Patienten im Unterbauch für den Zeitraum von acht bis zehn Wochen ein Stoma. So kann die Wunde besser verheilen. Sind die Lymphknoten tumorfrei und keine Fernmetastasen vorhanden, bekommt der Patient vorbeugend eine sogenannte adjuvante Chemotherapie, um die Neubildung von Krebszellen zu verhindern.
In 20 bis 25 Prozent der Fälle ist der Darmkrebs zum Zeitpunkt der Diagnose bereits weit fortgeschritten, und der Patient hat zumeist Lungen- oder Lebermetastasen. "Hier ist ein großer Umbruch geschehen", sagt Teleky. Ist nur ein Organ von Metastasen befallen, können diese durch eine Chemo-Antikörpertherapie so weit verkleinert werden, dass sie chirurgisch entfernt und der Patient im besten Fall geheilt werden kann. "Früher war das eine rein palliative Therapie (Anm.: eine Therapie ohne Heilungsanspruch), heute gibt es schöne Langzeitdaten zu Langzeitüberlebenden mit Leber- und Lungenmetastasen."
Wichtig ist, Darmkrebs wenn möglich erst gar nicht entstehen zu lassen, so Teleky. Abseits von Lifestyle-Faktoren wie gesunder Ernährung und viel Bewegung wäre das möglich, "wenn man mit 50 Jahren jeden Menschen zur Kolonoskopie zwingen würde", plädiert der Chirurg für mehr Bewusstsein in Sachen Vorsorge. Denn anfangs ist ein Tumor oft in Darmpolypen angesiedelt, und diese lassen sich meistens im Zuge der Kolonoskopie entfernen. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 17.10.2013 )
Darmkrebs - Ein Film von vielgesundheit.at - Die MedizinMediathek