London - Lucian Freud wusste die Versuche von Autoren, seine Lebensgeschichte zu schreiben, bis zu seinem Tod 2011 stets zu verhindern. Einem Möchtegern-Biografen zahlte der berühmte Maler Schweigegeld, einem anderen schickte er einen Schlägertrupp auf den Hals. Freud sei "entsetzt gewesen" von der Vorstellung, intime Details seines langen Lebens könnten zu seinen Lebzeiten an die Öffentlichkeit geraten, schreibt Geordie Greig, der die biografische Würdigung nun nachgeholt hat. Breakfast with Lucian erzählt von den ausgiebigen Frühstücks-Unterhaltungen zwischen dem glänzend vernetzten Chefredakteur der Londoner "Mail on Sunday" und seinem Künstlerhelden. Aber vor allem dreht sich das Buch "mehr um täglichen Sex als um tägliche Kunst", wie der Londoner Kunstkritiker Brian Sewell urteilt.

Greigs aus liebevoller Perspektive geschriebene Biografie bestätigt die alte Weisheit, wonach grosse Künstler keineswegs angenehme Menschen sein müssen, vielleicht häufig zum Gegenteil neigen. Zum Vorschein kommt ein gewalttätiger, Glücksspiel- und Sex-Süchtiger, dessen Zentrum doch immer die Malerei blieb. Freud war zweimal verheiratet, dazu fünfmal in vergleichsweise langen Beziehungen, aus denen insgesamt 14 Kinder stammten, die er als seine eigenen anerkannte. Verhütung mochte er ebenso wenig wie emotionale Bindung.

Es gibt herzzerreißende Geschichten von Kindern, die sich ohne jede Begründung aus dem Dunstkreis des Genies verbannt sahen. "Er machte einfach, was er wollte. Und irgendwie schaffte er es, damit durchzukommen", konstatiert Greig. Brutaler sagt es Freuds langjähriger Buchmacher und Freund Victor Chandler: "Er hatte es nicht so mit der Selbstreflexion, war gefühlsbestimmt, beinahe ein Tier." (Sebastian Borger, DER STANDARD, 8.10.2013)