Bilder vom Walfangzentrum und mehr gibt's in dieser Ansichtssache.

Foto: Angelika Mandler-Saul

Es stehen noch zwei Tage in der ältesten Stadt Westaustraliens, in Albany, auf dem Programm, bevor ich meine erste Reisetappe in Westaustralien beende und nach Adelaide weiterfliege. Esperance mit seinen Stränden weiter östlich ist leider für meinen Reiseplan gestorben, dort ist es mindestens genauso unwirtlich kalt und stürmisch wie in Albany.

Als ich mit dem Campervan durch das Örtchen rolle, ereilt mich mal wieder mein schon gewohntes westaustralisches déjà vu: eine Main Street mit ein paar seltsamen Haushaltswaren-Geschäften, Fast Food und auf den ersten Blick nicht mal ein ordentliches Café, das mich im strömenden Regen aufnehmen könnte.

"Adventure before Dementia"

Deswegen checke ich erstmal am Campingplatz ein, werde einmal mehr auf das höflichste begrüßt, als würde ich im Viersternhotel einchecken (da können sich die meisten österreichischen Campingplätze mal eine Scheibe abschneiden) und mit zahlreichen Codes versorgt:

Ein Code für die Sanitäranlagen, ein Code für das gratis Wlan und ein Code für die nächtliche Einfahrt. Es ist große Wäsche angesagt - auch hier können die österreichischen Campingplätze "einpacken": Jeder australischer Platz hat zumindest zwei Münz-Waschmaschinen, die meisten auch ein bis zwei Trockner. Und nachdem auf den australischen Highways ja unübersichtlich viele "grey nomads" unter dem selbst gewählten, aussagekräftigen Motto "Adventure before Dementia" unterwegs sind, werden diese Laundrys auch gerne genutzt.

Diese Pensionisten sind schon ein eigenes Völkchen: Meist mit Wohnwagen oder auch mit Wohnmobil und Kleinwagen im Schlepptau ausgestattet, sind sie über Monate, oft sogar jahrelang, in ihrer Heimat Australien unterwegs. Auf den teils riesigen Gefährten kann man meist die Namen der Insassen mit ein paar Kommentaren lesen. Schließlich will man ja wissen, mit wem man es "on the road" zu tun hat.

Blutige Geschichte mit Hintergrundgeräuschen

Anderntags steht eine seltsam unrühmliche Touristenattraktion auf dem Regenprogramm. Eine alte Walfangstation ist für Besucher zugänglich und führt auf höchst unkonventionelle und teils unappetitliche Art vor Augen, wie blutig und brutal es hier bis 1978 beim Walfang zugegangen ist. Interessanterweise wird die Whale World als "award winning heritage attraction" vermarktet; die Australier scheinen hart im Nehmen zu sein.

Die Tour ist semi-guided. Neben der Ausführungen des hochmotiviert wirkenden Guides, bekommt man während des Rundgangs am Gelände auch immer wieder Hintergrundgeräusche und Off-Texte vorgespielt.

Die alten Wohngebäude der Walfänger aus dem 19. Jahrhundert stehen noch immer und wenn man es nicht für zu verwerflich hält, kann man auch einen ehemaligen Walfänger inklusive Harpune, der hier auf dem Trockenen liegt, erklettern und die Quartiere besichtigen. Die "Cheynes IV" wurde in Norwegen gebaut, war dann in Südafrika als Walfänger unterwegs und schließlich eines der letzten Walfangboote in Australien.

Weiters wird man auf dem ehemaligen "Flensing Deck" herumgeführt. Hier wurden die Wale mit riesigen Winschen auf das Deck gezerrt, gehäutet und unterirdisch weiterverarbeitet. Auch eine immens große Fräse zeigt sich den teilweise entsetzten, teilweise unbeeindruckten Familien auf ihrem Sonntagsausflug. In riesigen Silos wurde dann das damals so kostbare Wal-Öl gelagert. Sieben Tonnen Öl pro Wal habe es gegeben und benutzt wurde es für eigentlich alles, so der Guide, unter anderem für Schmieröl, Lippenstifte oder Kerzen.

Und in diese Silos werden wir Besucher im Rahmen der Tour hineingelotst, um uns Filmchen über Haie und Delfine und die Geschichte des Walfangs anzusehen. Ganz schön unwirklich, die ganze Angelegenheit. Und dass diese "Whale World" als Wochenendgestaltung für Familien angepriesen wird, hat mich noch mehr verwundert. Skelettte von Delphinen und Walen sowie die alten Dieselmotoren der Walfänger sind in den ehemaligen Arbeitsgebäuden ebenfalls ausgestellt, am Ende folgt das unumgängliche Visitor Center mit Souvenir Shop und Café, das - aufgrund der versprochenen Walsichtungen - hoch frequentiert ist.

Rückblick: Irgendetwas scheppert immer

Meine drei Wochen im Campingvan neigen sich dem Ende zu. Auf dem Albany Highway geht's quer durch Südwestaustralien zurück nach Perth, wo mich der Flieger nach der Rückgabe meines Vans nach Adelaide bringt.

Das Fahren mit dem Campervan war keine Hexerei. Nicht nur in Perth und den anderen Kleinstädten war es angenehm und gemächlich zu fahren, sondern auch auf den Highways im Nirgendwo. Hier drängt keiner, jeder wartet mit dem Überholen auf die offiziellen "overtaking zones" - und bedankt sich manchmal auch noch. Die Überlandstraßen, die ich im Westen kennengelernt habe, waren allesamt gut zu befahren. Aber immer noch gilt: Irgendetwas scheppert im Van immer. So gut man auch alles verzurrt und verräumt hat.

Auch sind die australischen Campingsites meines Erachtens durchaus ihr Geld wert. Zwischen 25 und 40 AUD habe ich pro Nacht pro powered site bezahlt; dies gilt pro Gefährt. Manchmal konnte ich eine kleine Reduktion – von wegen "I am travelling alone" - ergattern.

Wer keine powered site benötigt oder will, dem hilft die Zusatzbatterie im Campervan mit Innenlicht und Kühlschrank über eine Nacht, bis sie beim Fahren wieder ein wenig aufgeladen werden kann. Zudem sind die Campingsites hier sehr großzügig angelegt. Beim Einchecken bekommt man stets eine fixe, nummerierte Site zugewiesen. Hier gibt's kein kreuz und quer Herumstehen wie auf den südeuropäischen Campingplätzen oder auch in Österreich.

Überall stehen "camping kitchens" zur Verfügung, die zwar teils schon einige Jahre auf dem Buckel haben und oft im Freien und nur überdacht angelegt sind, aber stets sauber und hochfunktionell waren. Wer nicht im campervan brutzeln will oder mit Zelt oder Swag unterwegs ist, kann hier trotzdem kochen oder Frühstück machen. Jede Campingkitchen verfügt über Kühlschrank, Kochplatten, Wasserkocher, Toaster und mindestens zwei Barbecue Stellen im Freien. So kann jeder einfach bei Coles oder Woolworths einkaufen, das ganze in den hier unvermeidlichen Eskie oder den Fridge im Van packen und am nächsten Campingplatz frisch drauflos kochen.

Übrigens: Andere Alleinreisende mit Campervan sind mir in dem ganzen Monat in Westaustralien keine untergekommen. Sie sind wohl alle abseits meiner Touristenpfade mit dem Swag auf Überlebenstrip unterwegs.

Dafür wurde ich von überraschend vielen Frauen angesprochen: "You´re travelling on your own? With a campervan? Oh my goodness!". Die Männer haben sich meist drauf beschränkt, aus den Augenwinkeln meine bravurösen Fahrmanöver zu beobachten.

Ich werde nun den Campervan erstmal gegen zwei Hotelnächte in Adelaide eintauschen, bevor es mit einer gebuchten Backpacker Tour im Bus auf eine viertägige Outbacktour in die Flinders Ranges und die Opalstadt Coober Pedy in Südaustralien geht. Da wird's dann auch hoffentlich erstmals richtig heiß. Und der nächste Campervan wartet bereits in Darwin auf mich. (Angelika Mandler-Saul, derStandard.at, 09.10.2013)