Münster - Menschen, die infolge einer Coxsackie-Virus-Infektion erkranken, zeigen häufig Symptome eines harmlosen grippalen Infektes. Diese Enteroviren können aber auch die Herzmuskelzellen befallen und so zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen und plötzlichem Herztod führen. Dies hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern der Universitäten Münster und Tübingen herausgefunden.

Fehlgeleitete Eiweißstoffe

Das Team konnte nachweisen, dass der Subtyp B3 des Coxsackie-Virus (CVB3) die Verlagerung vesikulärer Subkompartimenten verändert, die für den Transport von lebensnotwendigen Eiweißstoffen zuständig sind. "Die Vesikel sind beispielsweise dafür verantwortlich, dass Membranproteine wie Ionenkanäle an den Ort gelangen, an dem sie benötigt werden", erklärt Guiscard Seebohm, Biochemiker am Institut für Genetik der Herzerkrankungen am Universitätsklinikum Münster.

Für die Erkenntnisse der Arbeitsgruppe waren vor allem die Ionenkanäle entscheidend. "Ionenkanäle sind Eiweißstoffe, die die elektrischen Eigenschaften von Herzmuskelzellen bestimmen", so Seebohm. Dadurch, dass diese den Transport von Ionen wie Kalium und Kalzium an den richtigen Ort im Herzmuskel regulieren, sorgen sie dafür, dass das Herz schlägt.

"Wie wir herausgefunden haben, führen die CVB3-Viren dazu, dass zwei zentrale Kaliumkanäle und der wichtigste Kalziumkanal nicht mehr an den richtigen Ort gelangen können – und diese Funktionsveränderungen führen zu potenziell tödlichen Herzrhythmusstörungen", fasst Seebohm die wichtigsten Ergebnisse der Forscher zusammen.

Vorteilhafte Genvariante

Die Grippeform, die durch die CVB3-Viren verursacht wird, tritt weltweit auf – besonders häufig aber im Spätsommer und Herbst im südostasiatischen Raum. Dort hat die Selektion der Natur bereits eingesetzt: Seebohm und seine Kollegen entdeckten bei ihren Forschungen eine häufige südostasiatische Genvariation, die die Fehlfunktion der Vesikel abmildert und somit den plötzlichen Herztod unwahrscheinlicher macht.

"Mehr als 150 Millionen Südostasiaten tragen diese vorteilhafte Genvariante bereits in sich, so knapp ein Viertel der Japaner. Und sie scheint sich weiter auszubreiten", berichtet Seebohm. In einem weiteren Schritt untersuchen die Forscher nun, welche Bestandteile des Virus die Zellveränderungen verursachen.

Auf Basis der neuen Erkenntnisse werden nun Wirkstoffe entwickelt, die virale Infektionen wie die durch CVB3 hemmen sollen. Die Wissenschaftler konnten dabei zeigen, dass die Hemmung eines bestimmten Proteins die virale Wirkung aufheben kann – "eine Entwicklung von effektiven Medikamenten gegen die CVB3-Infektion und damit den plötzlichen Herztod scheint also möglich", sagt Seebohm.

Die Bedeutung des Themas belegen auch die diesjährigen Nobelpreise für Medizin: Der Vesikeltransport und seine Fehlfunktion bei Krankheiten stehen auch im Mittelpunkt der Arbeiten von James Rothman, Randy Schekman und Thomas Südhof. (red, derStandard.at, 9.10.2013)