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MI5-Chef Andrew Parker verteidigt die Arbeit des GCHQ-Horchpostens, wo täglich Milliarden an Einzeldaten gesammelt werden.

Foto: Reuters/Doherty

Nach monatelangem Schweigen hat erstmals ein hoher britischer Geheimdienstler die Enthüllungen des früheren Mitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA Edward Snowden kritisiert. Die Veröffentlichungen im Londoner Guardian hätten "enormen Schaden"  angerichtet und seien "ein Geschenk für Terroristen", sagte der Leiter des Inlandsgeheimdienstes MI5, Andrew Parker, ohne das Blatt oder dessen Quelle beim Namen zu nennen. Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger kommentierte Parkers Statements am Mittwoch als Versuch, eine notwen­dige Überwachungsdebatte zu unterbinden: "Geheimdienstleute sagen immer solche Sachen."

Der MI5 hat sich schon vor Jahren eine schicke Website zugelegt und ist für Anfragen von Medien erreichbar. Mindestens einmal im Jahr meldet sich der Behördenleiter öffentlich zu Wort. Parkers erste Wortmeldung seit seiner Berufung im April wurde durch anonyme Regierungsquellen verstärkt. Diese sprachen vom "schwersten Schaden der Geschichte"  und rechtfertigten erneut die zeitweilige Festnahme des Lebensgefährten von Guardian-Mitarbeiter Glenn Greenwald am Flughafen Heathrow vor einigen Wochen. Dieser habe 35.000 Dokumente bei sich gehabt, darunter Klarnamen britischer Agenten weltweit.

Wie seine Vorgänger widmete Parker den Großteil seiner Rede einer Analyse des islamistischen Terrorismus, von dem Großbritannien nach wie vor sehr bedroht sei. Dem offiziellen Warnsystem zufolge besteht derzeit ein "beträchtliches"  Attentatsrisiko.

Tausende Jihadisten

"Unsere Aufgabe wird schwieriger, die Gefährdungen sind facettenreich und unscharf" , sagte Parker. Dem Geheimdienst zufolge gibt es "mehrere Tausend"  Jihadisten auf der Insel. Parkers Vorgänger Jonathan Evans hatte 2007 von rund 2000 Islamisten gesprochen, die "eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen".

Trotz aller Wachsamkeit sind den Agenten im vergangenen Jahrzehnt immer wieder schwere Pannen unterlaufen. Zwei der vier Terroristen, die am 7. Juli 2005 52 Londoner U-Bahn- und Buspassagiere in den Tod rissen, waren im Visier des MI5 gewesen, ihm dann aber entwischt. Auch die beiden Londoner nigerianischer Herkunft, die im Mai einen Soldaten niederstachen, waren zeitweise beobachtet worden.

Ausdrücklich nahm Parker den Horchposten GCHQ in Schutz: Dessen Arbeit sei "unerlässlich für die Sicherheit des Landes und seiner Bürger" . Snowdens Enthüllungen im Guardian zufolge dient GCHQ dazu, die Daten von Millionen EU-Bürgern zu sammeln. Die Behörde soll bis zu 39 Milliarden Datenbündel pro Tag speichern.

Zu Wochenbeginn teilte der frühere Energieminister Chris Huhne mit, während seiner Amtszeit (2010–2012) habe nicht einmal der Nationale Sicherheitsrat vom Umfang der Spionage erfahren. MI5-Chef Parker verwies die Vorstellung, die britischen Geheimdienste wollten jedermann auf gut Glück kontrollieren, ins Reich der Fabeln: "Das ist glatter Unsinn."

Hingegen pocht Rusbridger auf das Recht seiner Zeitung, über die Dokumente des russischen Asylanten Snowden zu berichten. Sollten Terroristen aus den verantwortungsvoll gehandhabten Informationen neue Erkenntnisse geschöpft haben, handle es sich um "Leute, die nicht einmal ihre eigenen Schnürsenkel binden können" , so der Guardian-Mann. (Sebastian Borger aus London /DER STANDARD, 10.10.2013)