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Die Welt zu Gast beim Internationalen Währungsfonds und seiner Chefin Christine Lagarde: Der IWF und die Weltbank laden diese Woche zur Jahrestagung nach Washington.

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Eigentlich hat es bis vor kurzem nicht so schlecht ausgesehen für die Weltwirtschaft: Europa auf einem langen, aber geraden Weg aus der Rezession, die USA und Japan unterwegs in Richtung robustes Wachstum und die Schwellenländer mit etwas niedrigeren, aber nach wie vor hohen Steigerungsraten. Seit ein paar Monaten hat sich diese Ausgangslage stark verändert - zum Schlechten. Und mit der US-Budgetkrise werden im Vorfeld der Jahrestagung von Währungsfonds und Weltbank inklusive Finanzministertreffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) sogar wieder apokalyptische Szenarien durchgespielt, deren Sprengkraft jene des Kollap-ses der Investmentbank Lehman Brothers vor fünf Jahren übersteigt.

Erst hat die US-Notenbank Träume von einem nachhaltigen Aufschwung platzen lassen, als sie im Mai den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik angekündigt hatte, der bis dato freilich nicht eingetreten ist. Das von der Fed gedruckte heiße Geld, das in den letzten Jahren auf der Suche nach höheren Renditen in die Schwellenländer geflossen war, wurde in großem Ausmaß wieder abgezogen und die betroffenen Staaten in beträchtliche Schwierigkeiten gebracht.

Ihre Leistungsbilanzdefizite können nicht mehr mit ausländischem Geld gestopft werden. Indien, Brasilien, Indonesien oder die Türkei versuchen seither, den Exodus des Kapitals mit höheren Zinsen zu bremsen, doch diese Maßnahme droht die Wirtschaft weiter abzuwürgen.

Bereits am Dienstag hatte der Internationale Währungsfonds seine Konjunkturerwartungen für die Schwellenländer am stärksten nach unten korrigiert und vor gröberen Währungsturbulenzen gewarnt. Ähnlich sieht das der Internationale Bankenverband IIF: "Eine Episode des schnellen, kreditgestützten Wachstums, ist definitiv zu Ende gegangen", heißt es in seinem Bericht.

Höhere Zinslast

Am Mittwoch legte der IWF nach. In den USA könnten die langfristigen Zinsen "über das Ziel hinausschießen", sagte der im Fonds für Kapitalmärkte zuständige Direktor José Vinals. Die Straffung der geldpolitischen Zügel könnte die Schattenbanken wieder in den Blickpunkt rücken: Sie haben keine Banklizenz und agieren zum Teil unreguliert. Wegen ihrer hohen Verschuldung könnten Verluste infolge steigender Zinsen auf Schuldverschreibungen - die Kurse bewegen sich konträr zu den Renditen - das Finanzsystem durchrütteln.

Ebenfalls Anlass zur Sorge sind steigende Zinsen wegen der nach wie vor ungelösten Budgetprobleme. Mit knapp 110 Prozent Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung haben die Industriestaaten einen neuen Höchststand erreicht. Allein seit 2007 haben sich die Verbindlichkeiten um 35 Prozentpunkte erhöht - Tendenz steigend, wenngleich in weniger rasantem Tempo als in den Vorjahren. Neben Japan stehen auch bei diesem Thema die USA im Fokus. Steigende Zinsen könnten die nicht allzu engagierte Konsolidierung der Staatsfinanzen deutlich erschweren.

Grund und Boden im Visier

Allerdings sehen die Experten trotz des eingeschränkten Potenzials neuer oder höherer Steuern und der Vorrangigkeit ausgabenseitiger Sanierungsschritte in den Industriestaaten noch einigen Spielraum für wachstumsfreundliche, steuerliche Maßnahmen. Neben der Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage - hier ist vor allem die Streichung von Ausnahmen gemeint - sieht der IWF auch die Möglichkeit, mehr Einnahmen von den Spitzenverdienern und Vermögenden abzuzwacken. An erster Stelle böten sich "substanziell höhere" Abgaben auf Grund und Boden an, die immobil und "schwer zu verstecken" seien, wie es im IWF-Bericht namens Fiscal Monitor heißt.

Generell sieht der Fonds viel Potenzial in den Vermögenssteuern, insbesondere wenn die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Steuervermeidung verstärkt werde. Die Experten schätzen, dass Haushalte 4,5 Billionen Dollar in Steueroasen gebunkert haben. Gemessen an den Notwendigkeiten der Schuldenreduktion wäre der Angriff auf die Reichen freilich nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Um auf Verschuldungsquoten vor der Krise zurückzukommen, müssten die Nettovermögen um zehn Prozent rasiert werden, hat der Währungsfonds für die Eurozone berechnet.

Ungleichheit wächst

Begründet wird das Aufzeigen der Potenziale bei den Vermögen nicht zuletzt mit der steigenden Ungleichheit der Verteilung. In den entwickelten Staaten kommen laut IWF zehn Prozent der Bevölkerung auf 50 Prozent des Vermögens, in den USA sogar auf 75 Prozent. Eine einprozentige Abgabe für Betuchte würde rund ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts hereinspielen - in Österreich würde das einem Aufkommen von drei Milliarden Euro entsprechen. Selbst in einer progressiven Variante, in der die zehn Prozent der Topvermögen mit einem Prozent, die obersten fünf Prozent mit zwei Prozent besteuert werden, kämen gerade einmal zwei Prozent des BIP heraus.

Aktuelle Beispiele zeugen laut IWF von keiner hohen Effizienz von Vermögensabgaben, wie sie derzeit eingehoben werden. Zahlreiche Ausnahmen beispielsweise für Land oder Familienbetriebe führten zu einer ziemlichen Erosion der Vermögenssteuern und zu ausgefeilten Umgehungsstrategien. Insofern seien die Erfahrungen "entmutigend", steht in dem Bericht zu lesen. (Andreas Schnauder aus Washington, DER STANDARD, 10.10.2013)