Wien - Arbeits- und Sozialrechtler Wolfgang Mazal warnt vor einem generellen Ausschluss von betriebsbedingten Frühpensionierungen bei den ÖBB. "Das wäre fatal für den Steuerzahler", sagte Mazal am Montag. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand müsse "als eine Möglichkeit zum Personalabbau offen bleiben".

Die ÖBB hätten die Wahl, nicht betriebsnotwendige Mitarbeiter zur Gänze weiter zu bezahlen oder sie mit einer deutlich geringeren Pension abzufinden. Frühpensionierungen seien deshalb "das Instrument der Wahl". Die historisch bedingte Unkündbarkeit der ÖBB-Bediensteten zwinge geradezu zu Frühpensionierungen. "Die Alternative wären Kündigungen, die sind aber nach dem derzeitigen Dienstrecht nicht möglich", sagt Mazal.

Pensionierung bei Untätigkeit

Das Bundesbahnpensionsgesetz sieht, wie berichtet, im Gegensatz zum herkömmlichen Pensionsrecht vor, dass ÖBB-Bedienstete auch dann pensioniert werden können, wenn sie schlicht nicht mehr benötigt werden. Vergangene Woche hatten 38 zwangsweise Frühpensionierungen bei den ÖBB - die jüngste betroffene Mitarbeiterin ist 37 Jahre alt - für großes Aufsehen gesorgt. Das Verkehrsministerium hatte daraufhin angekündigt, bei dem geplanten Abbau von 12.000 der insgesamt 48.000 Bahnmitarbeiter trotz der gesetzlichen Möglichkeit nicht in großem Rahmen auf Frühpensionierungen zurückgreifen zu wollen.

Heftige Kritik kam in der Vorwoche auch von der Eisenbahnergewerkschaft. Sie verwies darauf, dass die Frühpensionierten massive Abschläge hinnehmen müssten und dadurch an den Rand der Armut gedrängt würden.

Mazal weist dies zurück. Das Pensionsrecht der ÖBB sehe "großzügige Zuverdienstmöglichkeiten" für die betroffenen Mitarbeiter vor. Die ÖBB-Bediensteten seien damit weit besser gestellt als tausende andere Österreicher, die in den letzten Jahren gekündigt wurden und nun auf der Straße stünden, betont der Sozialexperte.

Massive Überstundenleistungen

Kritik übt er auch an dem Verweis der Gewerkschaft auf massive Überstundenleistungen der Bahnbediensteten. Die Eisenbahnergewerkschaft hat zuletzt mehrfach auf 6,2 Mio. geleistete Überstunden pro Jahr verwiesen und sieht deshalb kaum Potenzial für weitere Einsparungen.

Laut Mazal sind diese hohen Überstundenleistungen jedoch lediglich die Folge eines "völlig unkonventionellen Dienstrechts, nach dem für fast die Hälfte der Belegschaft bereits nach der sechsten Arbeitsstunde Überstunden anfallen. "Der Überstundenbegriff der ÖBB ist mit dem normalen Überstundenbegriff im Arbeitsrecht nicht vergleichbar. Die hohe Zahl der Überstunden ist die Folge eines Privilegs", betont Mazal.

Der Arbeitsrechtsexperte ist vom Verkehrsministerium beauftragt worden, im Zuge der ÖBB-Reform auch eine Dienstrechtsnovelle auszuarbeiten. De mit der Bahnreform betraute Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (V) hatte Ende vergangener Woche angekündigt, die "Privilegien" bei der Bahn abschaffen zu wollen. Mazal will seine Vorarbeiten zur Dienstrechtsänderung noch nicht kommentieren. Nur so viel: Eine generelle Aufhebung des Kündigungsschutzes sei derzeit "nicht das Thema".(APA)