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Libyens Premier Ali Zidan war sichtlich gezeichnet, als er nach seiner Entführung vor die Medien trat.

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TV-Bilder von der Entführung.

Foto: Reuters/TV

Tripolis/Kairo - Als "Militärputsch" bezeichneten mehrere Abgeordnete die turbulenten Stunden am Donnerstag in Tripolis. Ali Zidan trat kurz nach seiner Befreiung zu Mittag mit Ministern zusammen und dankte sichtlich mitgenommen in einer kurzen Erklärung allen, die geholfen hätten, ihn zu befreien. Die libysche Führung werde sich dem Druck der bewaffneten Gruppen nicht beugen, hatte Parlamentspräsident Nuri Abu Sahmin betont, als er Zidans Befreiung offiziell verkündet hatte - die Verantwortlichen würden vor der Justiz zur Rechenschaft gezogen. Ausländische Fluggesellschaften wie Alitalia und Lufthansa reagierten dennoch mit der Stornierung ihrer Flüge nach Tripolis.

Zidans Entführung hat deutlich gemacht, dass in Libyen niemand vor Übergriffen bewaffneter Gruppen sicher ist. Eine Brigade von Ex-Rebellen, die als Operationsraum der libyschen Revolutionäre firmiert und offiziell dem Verteidigungs- und Innenministerium untersteht, hatte Zidan in der Nacht aus seinem Zimmer im Corinthia-Hotel im Stadtzentrum entführt, wo er aus Sicherheitsgründen wohnt. Dort steigen ausländische Geschäftsleute ab und finden internationale Konferenzen statt, weil es als sicher galt.

Die Brigade selbst sprach von Arrest - und nicht von Entführung - und gab widersprüchliche Erklärungen ab. Einmal wurde ein Zusammenhang mit der Festnahme des Al-Kaida-Anführers Abu Anas al-Libi am Samstag hergestellt, die im Land eine Welle der Entrüstung ausgelöst hatte. Als Hauptgrund wurde aber eine Untersuchung wegen Korruptionsvorwürfen angeführt. Staatsanwaltschaft und Justizministerium bestritten aber, dass es einen Haftbefehl gegen den Premier gibt.

Ein Mitglied der Regierung soll im September Schecks ausgestellt haben, um bewaffnete Gruppen zur Aufgabe zu bewegen. Diese hatten seit Wochen Ölanlagen in ihrer Gewalt und damit einen Schaden von mehreren Milliarden Dollar verursacht.

Korruption und Verschwendung grassieren im neuen Libyen tatsächlich. Beispiele gibt es viele. Die staatlichen Gehaltslisten umfassen etwa 500.000 Namen von Ex-Rebellen. Zidan hat bisher zudem bei fast allen Problemen versucht, diese mit Geld zu lösen, weil die Regierung sich nicht anders durchsetzen kann.

Die Ex-Rebellen wollen aber nicht nur Geld; sie kämpfen vor allem um Einfluss für ihre Region oder ihren Stamm. Die Integration von vielen der unzähligen Brigaden in Verteidigungs- und Innenministerium hat bisher nicht viel gebracht. Sie agieren nach wie vor in ihrem eigenen Namen. Entstanden ist ein Fleckerlteppich, der sich über das ganze Land erstreckt und keine klaren Hierarchien kennt. Schon die Wortwahl der Regierung ist vielsagend, einmal spricht sie von Milizen, dann wieder von Revolutionären, und so unklar ist auch ihre Strategie. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 11.10.2013)