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Iris Morhammer 1997 bei der EM in Sindelfingen in einem Spiel gegen Brasilien. Insgesamt warf sie 663 Tore für Österreich.

Foto: EPA/Deck

Wien - Iris Hable ist praktischerweise selbst am Telefon, als man bei der Firma OTG nach Iris Morhammer fragt, der ehemaligen Weltklassehandballerin. Die am 28. April 1973 geborene Wienerin hat nach ihrer sportlichen Karriere den Sportwissenschafter, Trainer und Heilmasseur Walter Hable geheiratet und bringt im Spritz- und Lackiersysteme vertreibenden Kleinbetrieb ihres Vaters Herbert die durch eine HAK-Matura bestätigten Fertigkeiten ein. In Zukunft will sie sich noch stärker einbringen, "derzeit arbeite ich noch nicht Vollzeit".

Das kommt vor allem der Tochter Romy zugute, die zwar sehr sportlich ist - Kunststück, bei dieser Mutter und einem Vater, der als Leichtathlet ebenfalls Leistungssport betrieb. Am Handball zeigt Romy aber über die Geschichten der Mutter hinaus kein Interesse. Wollte sie genau in Iris' Spuren wandeln, hätte sie mit ihren acht Jahren nicht mehr viel Zeit, obwohl die Mama für heutige Begriff relativ spät begann. "Ich bin zufällig zum Sport gekommen", erzählt Iris Hable in der Veranda ihres Hauses, die den Blick auf einen See freigibt.

Ein Zufall

Mit zwei Freundinnen schnupperte die Schülerin Iris Morhammer bei einem Jugendtraining des Vereins Hypo Südstadt in Maria Enzersdorf. Den hatte 1972 der damals 32-jährige Leichtathletiktrainer Gunnar Prokop gegründet, um seinen Schützlingen, darunter seine Frau Liese, Maria Sykora und Eva Janko, einen Ausgleichssport zu ermöglichen und sich selbst wohl auch ein zweites Standbein zu verschaffen.

Prokops Anspruch war von geradezu Stronach'scher Bescheidenheit. Er wollte den in Österreich praktisch nicht existenten Damenhandball durch Spitzenleistungen seines Klubs zu einem Breitensport machen. 8000 Österreicherinnen zu aktiven Handballspielerinnen zu machen, sei sein Lebensziel, sagte er.

1977 ist der Klub erstmals Meister, aber der internationale Erfolg, der den Sog erzeugen soll, der Prokop vorschwebt, ist nicht nur mit Österreicherinnen zu erringen. Also lockt er als Manager Legionärinnen sonder Zahl. Als Iris Morhammer mit 15 Jahren vom ungarischen Chefcoach Janos Csik zum Training mit der Kampfmannschaft geladen wird, steht der Klub nach zwei gegen Spartak Kiew verlorenen Endspielen vor dem erstmaligen Gewinn des Meistercups. Den Triumph gegen die Russinnen im dritten Anlauf, der gleichzeitig eine Ära beendete und eine andere begründete, besorgen Spielerinnen wie die Welthandballerin Jasna Kolar, Jadranka Jez, Marianna Godor, Kerstin Jönsson oder Managertochter Karin Prokop.

Die Zahl der Legionärinnen, die allerdings zum Großteil zwecks Aufbau einer starken Nationalmannschaft gerne eingebürgert werden, nahm ebenso zu wie die Zahl der Titel. Morhammer, wegen ihrer Gewandtheit, Schnelligkeit und technischen Stärke die ideale Flügelspielerin - "rechts, weil ich Linkshänderin bin" - und zeitweilig die einzige gebürtige Österreicherin in der Grundformation von Hypo, ist bei allen acht europäischen Triumphen auf Meisterebene dabei.

Zufällig

Im nationalen Betrieb ist sie Teil der Tyrannei, die Hypo Niederösterreich, wie der Klub nun heißt, bis heute ausübt. In Cup und Meisterschaft sind hohe Siege selbstverständlich. Morhammer: "Wir waren so überlegen, dass wir uns Sonderaufgaben stellen mussten: 'heute schießen wir 40 Tore', oder 'heute kriegen wir nur drei'." Überheblichkeit sei nie im Spiel gewesen, eher Demotivation der Gegnerinnen.

Gunnar Prokop war immer präsent, nicht selten unangenehm, ja zuweilen ausfällig, wenn ihm etwas zuwiderlief. "Er hat alles genauso gemeint, wie er es gesagt hat. Aber man stumpft ab mit der Zeit." Trotz Gruppenbildung nach Nationalitäten entstand eine Art Mannschaftsgeist, vor allem wohl wegen des Drucks von außen. "Die negative Berichterstattung wegen der vielen Legionärinnen war nervend. Aber wir hätten unser Niveau nie halten können, wenn nicht ständig neue Legionärinnen gekommen wären", sagt Morhammer. Eine Auflehnung gegen Prokops System wäre zumindest karrieregefährdend gewesen. "Wer international Erfolg haben wollte, musste bei Hypo spielen. Es war ein Monopol."

Ein Monopol, das auch die Nationalmannschaft einschloss. Morhammer spielte 237 Mal für Österreich, half jeweils Bronze bei der EM 1996 und der WM 1999 sowie fünfte Plätze bei Olympia 1992 in Barcelona und 2000 in Sydney zu erringen. Nach Länderspielen ist sie in der Bestenliste die Nummer drei hinter Barbara Strass (272) und Natascha Rusnatschenko (255). Ihre 663 Tore reichen allerdings nur zu Rang sieben. Spitzenreiterin Jasna Kolar-Merdan kam in weniger Partien auf fast doppelt soviele Treffer.

Kein Zufall

"Sie war eine Ausnahmeerscheinung", sagt Morhammer, "aber kein Vorbild für mich." Kolar spielte auch finanziell in einer anderen Liga. "Die Eigenbauspielerinnen verdienten weniger." Dabei ist Morhammer aufgrund ihres Aussehens oft und oft das Gesicht der Mannschaft, vor allem für die Medien. "Ich habe das selbst nicht so empfunden, war von mir selbst nicht so eingenommen." Geschmeichelt, das gibt sie gerne zu, war sie aber schon.

Mehr als das ist sie, als ein Angebot aus Bergen kommt. 1997 taucht Iris Morhammer "in eine andere Welt ein. Damenhandball war in Norwegen weit populärer als Herrenhandball." Der zweite Kreuzbandriss im rechten Knie bringt Morhammer nach nicht einmal einer Saison wieder nach Hause. "Aber ab da hatte ich den Status einer Legionärin, konnte es mir auch finanziell richten."

Mental hat Norwegen ebenfalls Spuren hinterlassen. Morhammer gehört zu jenen Spielerinnen, die sich immer öfter gegen Prokop auflehnen. Zu dieser Zeit beginnt sie sich allerdings auch langsam vom Handball abzuwenden.

Zwei Saisonen in Wiener Neustadt beschließen ihre Karriere. "Ich habe relativ früh aufgehört." Ein erst im Vorjahr gegebenes Comeback aus Spaß am Spiel bei der dritten Partie von Hypo NÖ endet mit dem dritten Kreuzbandriss, diesmal links. "Sehr dumm von mir", sagt Morhammer. "Die Bewegungsabläufe sind noch präsent, aber der Körper, die Muskeln sind ihnen nicht mehr gewachsen." Tauchen ist für sie und ihren Mann jetzt der bessere Sport. Das Interesse für den Handball ist Vergangenheit - kein Zufall wie das seinerzeitige Erwachen. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 12./13.10.2013)