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Warnzeichen, wie stetig sinkendes Körpergewicht, müssen rechtzeitig erkannt werden.

Foto: APA/Diane Bondareff

Berlin – Vielen Patientinnen mit Magersucht kann mit Hilfe einer Psychotherapie geholfen werden. Dies belegt die weltweit größte Therapiestudie, die an deutschen Universitäten durchgeführt wurde. Die Studie verglich erstmals die herkömmliche Psychotherapie mit zwei neuen Verfahren, die speziell für die ambulante Behandlung entwickelt wurden. Die Ergebnisse, die heute im medizinischen Fachblatt Lancet erschienen sind, stellen die Therapie der Magersucht nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) auf eine neue, wissenschaftlich fundierte Grundlage.

"Unbehandelt sterben etwa fünf von 100 der Patienten. Meist sind es Mädchen oder junge Frauen innerhalb von zehn Jahren", berichtet Wolfgang Herzog, im Vorstand der DGPM und Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik der Universität Heidelberg. Eine Heilungschance bietet heute die Psychotherapie, doch die Wirkung der schätzungsweise 75 unterschiedlichen Therapieformen ist laut Herzog niemals streng wissenschaftlich untersucht worden. Die ANTOP-Studie (kurz für "Anorexia Nervosa Treatment of Out Patients") hat hier Neuland betreten: Psychosomatische Ärzte an zehn Universitätskliniken haben zwischen 2007 und 2011 erstmals drei unterschiedliche Therapien miteinander verglichen.

Auf der Suche nach Ursachen

242 ewachsene Frauen mit Magersucht wurden nach dem Los auf drei Gruppen verteilt. In einer erhielten sie eine intensive Regelversorgung, die über das derzeit übliche Maß hinausgeht. "Der Hausarzt erhielt strukturierte Informationen, wählte einen Psychotherapeuten aus, der dann die Therapie seiner Wahl zeitnah durchführte", erläutert Zipfel, der als Ärztlicher Direktor die Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen leitet. In den beiden anderen Gruppen kamen zwei speziell für die Anorexie entwickelte Psychotherapien zum Einsatz. Dies war zum einen eine Variante der kognitiven Verhaltenstherapie. "Hier werden die Patienten zunächst über ihre Erkrankung aufgeklärt, danach erlernen sie spezielle Techniken, um ihr Essverhalten zu normalisieren", berichtet der Experte.

Die andere Therapie ist die fokale psychodynamische Psychotherapie, eine Weiterentwicklung der Psychoanalyse. Sie sucht nach den tiefer liegenden Ursachen der Essstörung. "Psychotherapeut und Patientin gehen den inneren Konflikten und emotionalen Auslösern der Erkrankung auf den Grund", erläutert Herzog. Für beide Therapien hatten die Studienleiter im Vorfeld der Studie spezielle Manuale erstellt, die es den Therapeuten ermöglichen, die Behandlung auf einem hohen professionellen und vergleichbaren Standard durchzuführen.

Stetige Gewichtszunahme

Alle Therapien dauerten zehn Monate. Die magersüchtigen Patientinnen, die zuvor im Durchschnitt nur 46,5 Kilo wogen, legten dabei langsam, aber stetig an Gewicht zu. Und in allen drei Untersuchungsgruppen setzte sich die Erholung nach dem Ende der Therapie fort.

Herzog sieht Vorteile der beiden neuen Therapien: "Patientinnen in der Verhaltenstherapie-Gruppe nahmen während der Therapie schneller an Gewicht zu. Bei der fokalen psychodynamischen Therapie besserten sich die Symptome der Patientinnen auch nach Therapieende und hatten deshalb ein Jahr nach Ende der Behandlung die günstigsten Gesamtheilungsraten. Außerdem mussten die Patientinnen hier seltener zusätzlich in der Klinik behandelt werden." Die Studie zeigt: Erwachsene Patientinnen haben durch die spezifischen Therapien eine realistische Chance auf eine Heilung oder zumindest nachhaltige Besserung.

Doch das gilt nicht für alle. "Trotz der erfolgreichen Verläufe litt auch ein Jahr nach Ende der Therapie ein Viertel der Patientinnen noch immer an einer voll ausgeprägten Magersucht", berichten Zipfel und Herzog. Entscheidend sei es daher vor allem auch, die Warnzeichen wie etwa ein stetig sinkendes Körpergewicht rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig zu behandeln. (red, derStandard.at, 14.10.2013)